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Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Nähe zu dem fre m den Mädchen blieb bestehen. Um sich abzulenken, schaute er sich nach Meister Li um. Der Fangshi war auf den Lavabuckel geklettert und hockte reglos vor seiner aufgepflanzten Lanze. Sein Blick war nach Norden gerichtet. Nur er selbst und der weise Laotse mochten wissen, was er dort erblickte.
    » Sie war kein Mensc h «, flüsterte Nugua neben ihm im Du n keln. » Konntest du das nicht spüren? «
    Er seufzte leise. » Ich weiß nicht, was sie ist. «
    » Und doch denkst du laufend an sie. «
    Er schüttelte den Kopf, ehe ihm bewusst wurde, dass Nugua ihn in der Finsternis nicht sehen konnte. Doch bevor er ein Nein über die Lippen brachte, überlegte er es sich anders und blieb ihr die Antwort schuldig.
    » Sie hat dich verhex t «, sagte sie.
    » Glaubst du das wirklich? «
    Sie streifte die Drachenhaut zurück und richtete sich im Du n keln auf. Er hörte die Bewegung eher, als dass er sie sah. Ihre Stimme klang mit einem Mal unsicher und gereizt. » Was sonst soll es sein, wenn sich ein anderer ständig in unsere Gedanken drängt? «
    Er wandte sich ab und fragte sich, woher sie solche Gefühle kannte, da sie doch ihr ganzes Leben unter Drachen verbracht hatte. Dann erinnerte er sich an Mondkinds Worte: Nugua mag dich.
    Aber Nugua reiste nur mit ihm, weil sie zufällig dasselbe Ziel hatten – die Drachen zu finden. Das war alles. Die meiste Zeit über sprach sie mit niemandem ein Wort und schien Gefallen daran zu finden, die anderen stehen zu lassen und allein vorau s zugehen.
    Aber warum lief sie immer vor ihnen her? Nur weil sie es eilig hatte? Eine Stimme, die Ähnlichkeit mit der von Mondkind hatte, flüsterte in ihm: Oder weil sie nicht will, dass du ihr ins Gesicht siehst? In ihre Augen? Weil sie Angst hat vor dem, was du darin lesen könntest?
    Verunsichert sah er abermals im Dunklen zu Nugua hinüber, aber er erkannte nur ihren vagen Umriss. Ebenso gut hätte sie ein Teil der bizarren Felsformationen sein können.
    » Mit Hexerei hat das nichts zu tu n «, sagte er.
    Er hörte sie laut ein- und ausatmen. Ein Keuchen.
    » Nugua? «
    Ein Ruf ließ ihn herumwirbeln.
    » Niccolo! Pass auf! «
    Meister Li stand breitbeinig auf dem Lavahöcker, holte aus und schleuderte die Lanze – genau auf Nugua!
    » Nein! « , brüllte Niccolo.
    Feiqings Schnarchen brach ab, als der Rattendrache au f fuhr. » Was – «
    Die Lanze rammte in die dunkle Form an Niccolos Seite, schleuderte sie zurück und nagelte sie an knirschendes Glasg e stein.
    Niccolo starrte ungläubig auf die vibrierende Silhouette des Lanzenschafts vor dem Nachthimmel. Das heisere Ein- und Ausatmen brach schlagartig ab.
    » Nugua! « Er stürzte auf sie zu, noch halb auf allen vieren, wollte sie an den Schultern packen – und berührte stattdessen verhornte Haut, die sich straff über knorpelige Knochen spannte.
    Angewidert zuckte er zurück.
    Die Erde erbebte, als Meister Li sich mit einem ungeheuren Sprung von dem Felsbuckel abstieß und unmittelbar neben Niccolo aufkam. » Das ist nicht Nugua. «
    » Aber sie war gerade noch – «
    » Die haben sie. «
    Niccolo taumelte auf die Füße und sah Feiqing in Schlangenl i nie heranstolpern.
    » Die? « Niccolo konnte noch immer nicht sehen, was da vor ihm lag. Erst jetzt breitete sich die Erkenntnis in ihm aus, dass es nicht Nugua war. Er wagte nicht, das Wesen ein zweites Mal zu berühren.
    Master Li packte den Lanzenschaft mit beiden Händen, stützte sich mit dem Fuß ab und riss die Waffe mit einem Ruck zurück.
    » Tunnelkriecher! «, schimpfte er angewidert. » Lochgräber und Felswühler! « Er stieß ein Keuchen aus und blickte sich in alle Richtungen um. » Lavalurche und Schattenatmer! «
    » Dämonen! «, entfuhr es Feiqing.
    » Nein. « Der Fangshi schüttelte den haarlosen Kopf. » Däm o nen sind sie nicht. Nur Gewürm der Erde. Sie hausen in den leeren Tunneln, die das Magma einst durch die Felsen gefressen hat. Einzeln sind sie keine Gefahr, aber ich habe das ungute Gefühl, dass sie – «
    Ein gellender Schrei ertönte. Etwas kam aus dem Dunkel herangeflogen. Feiqing wich stolpernd zur Seite, aber Niccolo riss im Reflex die Arme auseinander.
    Nugua prallte gegen ihn, warf ihn nach hinten um und landete auf ihm, während er selbst sich den Rücken an scharfen Stei n kanten prellte. Vor Schmerz blieb ihm der Atem weg. Nugua riss ihn am Arm auf die Beine und schrie: » Sie kommen! «
    Eine Horde drahtiger, hornkantiger Leiber fegte über sie hinweg, warf Niccolo und

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