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Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Nugua erneut zu Boden, verkrallte sich in Feiqings Drachenkostüm und machte Bekanntschaft mit dem tödlichen Lanzenschwung des Fangshi. Meister Li stieß kurzsilbige Kampfrufe aus, während die Sichelspitzen durch die Reihen der Feinde mähten und in Windeseile ein halbes Dutzend niedermachten.
    Etwas griff in Niccolos Haar und zerrte daran, während Nugua damit beschäftigt war, gleich zwei der affenartigen Kreaturen von sich fern zu halten. Gegen sie schienen di e W esen mit besonderer Wut vorzugehen, und Niccolo konnte den Grund nur erahnen: Sie hatten Nugua im Dunkeln von ihrem Schlafplatz gezerrt und mit sich geschleppt; das Mädchen musste einem oder mehreren von ihnen übel mitgespielt haben, als es sich losgerissen hatte und zurück zu den anderen gelaufen war.
    Meister Li tobte donnernd zwischen den Lavafelsen umher, fegte mit der Lanze zwei weitere Angreifer vom Rücken des kreischenden Feiqing, befreite einen Augenblick später Nugua von ihren Gegnern und rammte zuletzt die Waffe in geradem Stoß über Niccolo hinweg. Das Zerren an Niccolos Haaren wurde schwächer und hörte einen Augenblick später ganz auf.
    Kreischen und Schnattern wurden leiser, zogen sich in die Nacht zurück. Als die Gefährten Rücken an Rücken zum Stehen kamen und angestrengt um sich schauten, waren ihre Gegner verschwunden, ebenso unvermittelt wie sie aufgetaucht waren. Leblose Umrisse lagen auf der Lava verstreut, unkenntlich in der Finsternis.
    Niccolos Herzschlag hämmerte. » Was, bei allen – «
    » Das sind feige Kreature n «, sagte Meister Li, nicht halb so atemlos wie die anderen. » Ich hatte gehofft, sie würden uns in Frieden lassen. Normalerweise wagen sie sich nur an einzelne Wanderer heran. Außerdem sollten sie sich eigentlich an mich erinnern. Das war nicht das erste Mal, dass sie und ich aufeina n der getroffen sind. «
    » Du hättest uns warnen müssen! «, stieß Niccolo aus.
    » Allerdings! «, fauchte Nugua.
    Feiqing jammerte. » Isch hab mir aufi Schunge gebischen. «
    Meister Li suchte die Umrisse der Lavafelsen ab. » Ic h d enke, sie haben genug und werden uns heute Nacht in Frieden lassen. «
    » Du hast auch gedacht, dass sie uns nicht angreife n «, sagte Nugua.
    Li nickte. » Darum werden wir auch weiterziehen. Genug geschlafen. «
    » Ich hab gar nicht – «, begann Feiqing, aber die bösen Blicke der anderen entgingen ihm selbst im Dunkeln nicht. Schlagartig brach er ab und murmelte vor sich hin, dass wieder mal alle Welt gegen ihn war.
    Niccolo baute sich vor Meister Li auf, ungeachtet der Tats a che, dass der Fangshi einen Kopf größer und nahezu dreimal so breit war wie er. » Wer sagt uns, dass du nicht gewusst hast, dass sie es auf uns abgesehen haben? «
    » Und zu welchem Zweck hätte ich das tun sollen? «, fragte Li gelassen.
    » Du hast uns jetzt schon zweimal gerettet – «
    » Das ist mir aufgefallen. «
    » – aber beide Male hast du uns nicht gesagt, warum! Wir wissen nichts über dich, und doch vertrauen wir dir unser Leben an! Und wir haben dir geglaubt, als du gesagt hast, du könntest uns zu den Lavatürmen führen. «
    » Sind wir denn nicht auf dem Weg dorthin? «
    Niccolo schämte sich für seine Wut und Hilflosigkeit, aber er konnte sie nicht unterdrücken. Ihm war klar, dass Li in allem Recht hatte und er selbst sich wie ein Narr aufführte. Und doch schien der Fangshi trotz aller Größe und Stärke ein perfektes Ziel für seine Wut. Unvernünftig und irrational, gewiss. Und doch tat es gut, irgendwen anzubrüllen.
    » Niccolo. « Nugua legte ihm sanft eine Hand auf de n A rm. » Li kann nichts dafür. Und er hat uns wirklich gerettet. «
    » Das sag ich ja, verdammt noch mal! « Niccolo schnappte nach Luft. » Aber warum hilft er uns? «
    Li lächelte gütig. » Vielleicht habe ich einfach nichts Besseres zu tun. «
    Niccolo winkte ab. Seine ganze Wut war nichts als heiße Luft; er wusste das, und sicher wusste der Fangshi es auch. Einen Streit vom Zaun zu brechen, ausgerechnet mit demjenigen, der ihnen das Leben gerettet hatte, war Dummheit. Aber er traute Li nicht, trotz allem, was er für sie getan hatte. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Und Niccolo konnte spüren, dass auch Nugua das ahnte.
    Nugua! Er drehte sich zu ihr um und musterte sie im Dunkeln.
    » Bist du verletzt? «, platzte es aus ihm heraus, und er fühlte sich scheußlich, weil er erst jetzt daran gedacht hatte. » Du warst plötzlich weg, und ich – «
    » Mir geht ’ s gu t «, sagte sie. »

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