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Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht

Titel: Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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war.
    » Zu meinem … Vater «, stöhnte sie nur, dann wurde ihr einmal mehr schwarz vor Augen.
    Verschwommen spürte sie, wie mehrere Männer sie vom Pferd hoben und im weichen, taufeuchten Gras der Ebene ablegten. Jemand zerschnitt ihr linkes Hosenbein von unten nach oben und machte sich im Halbdunkel fluchend an ihrem Verband zu schaffen. Der Boden erbebte wieder. Die Insel musste noch immer weiter sinken.
    Rechts neben ihr erklangen aufgebrachte Stimmen und Schri t te. Dann beugte sich ihr Vater über sie. Seine linke Schulter war bandagiert, und er hatte eine scheußliche Schwellung im Gesicht. Aber selbst die Verletzung konnte nicht verbergen, wie aufgebracht er war – aufgebracht vor Sorge um sie.
    Er redete auf sie ein, fragte immer wieder, wie es ihr ginge, machte ihr aber keine Vorwürfe. Das erfüllte sie mit einer gewissen Ruhe und Genugtuung. Einmal versuchte sie wortlos, den Oberkörper zu heben, um ihn zu umarmen, aber selbst dazu war sie zu schwach, und so flüsterte sie ihm nur heiser zu, er solle näher kommen, ganz nah an ihr Gesicht.
    » Der Schattendeuter hat uns verraten «, flüsterte sie. » Er hat uns alle verraten … Der Aether – « Ihr ging die Luft aus wie einem Blasebalg, in den jemand ein Loch gestochen hatte.
    Ihr Vater schüttelte sanft den Kopf. » Was redest du denn da? « Sein Lächeln schaute nur zur Hälfte unter der dunklen Schwe l lung hervor. » Er hat uns nicht verraten . Ganz im Gegenteil. «
    Sie sah ihn ungläubig an, während ihre Lippen eine stumme Frage formten.
    » Carpi hat uns gerettet «, sagte ihr Vater in beruhigendem Ton. » Oder ist gerade dabei, so wie es aussieht. «
    » So wie es – «
    Der Herzog nickte. » Er hat Aether erzeugt, Alessia. Ih m i st gelungen, woran alle anderen zweihundertfünfzig Jahre lang gescheitert sind. Er hat künstlichen Aether geschaffen, in seinem Laboratorium im Turm. «
    » Das ist … eine Lüge «, brachte sie hervor. Der festgeklebte Verband wurde von ihrer Wunde gezogen und ließ sie aufstö h nen. » Ich war dort … Es gibt gar kein … Laboratorium. «
    Ihr Vater strich ihr mit der Hand über die Wange. » Ich kann nicht glauben, wie tapfer du bist. Ich wollte zurück zum Hof, um dich zu sehen, aber « – jetzt wurde seine Miene finster von Schuldgefühlen – » ich konnte hier nicht weg. Die Männer, ich musste doch – « Er brach ab und küsste sie nach kurzem, vergeblichem Ringen um Worte auf die Stirn.
    » Aether … «, begann sie erneut, ehe der Schmerz sie die Zähne aufeinanderbeißen ließ. Wer immer da an ihrem Bein fuhrwer k te, ging weit weniger sanft damit um als die alte Lucia.
    » Spürst du es nicht? «, fragte ihr Vater. Freudentränen traten in seine Augen. » Die Insel steigt wieder! Carpi hat es geschafft. Er und ein paar von den Inspekteuren sind oben bei den Pumpen, und sie haben genug Aether, um sie wieder in Gang zu bringen. Verstehst du, Alessia? Der Aether fließt wieder! Die Erschütt e rungen … « Wieder gingen ihm für Augenblicke die Worte aus, doch diesmal gewann er seine Fassung rascher zurück. » Wir steigen wieder! Nicht mehr lange, und wir werden hoch genug sein, dass die Pumpen den Aether berühren können. «
    » Der Aether fließt! «, brüllte jemand hinter ihm im Dunke l n, und andere nahmen den Ruf auf, wiederholten ihn lautstark und jubelten.
    » Aber das ist … unmöglic h «, presste Alessia hervor . » Carpi wollte mich umbringen. « Die letzten Worte gingen in den Hochrufen der Männer unter, und obwohl da eine neue Sorge n falte zwischen den Brauen ihres Vaters erschien, war sie nicht sicher, ob er sie verstanden hatte . Ein Zeitwindpriester beugte sich von hinten über seine Schulter und flüsterte ihm etwas zu. Der Herzog nickte.
    » Du brauchst jetzt viel Ruh e «, sagte er zu Alessia. » Deine Wunde sieht nicht gut aus, aber du wirst es überstehen. «
    » Nein! « Sie wollte ihn anbrüllen, aber stattdessen wurde nur ein schales Ächzen daraus. » Der Schattendeuter lügt. Er ist ein Verräter. « Niemand außer ihr selbst hörte diese Worte; vielleicht waren es nur Gedanken und nichts, das sie wirklich gesagt hatte.
    Ein Mann eilte herbei und überbrachte ihrem Vater eine Nac h richt. Ihre Verzweiflung wurde von einem kurzen Hitzestoß durchdrungen, als sie dachte: Jetzt wissen sie es! Sie haben bemerkt, was er wirklich im Schilde führt ! Sie müssen es doch wissen!
    Aber das Lächeln ihres Vaters wurde noch breiter, als er sich wieder zu ihr herabbeugte. »

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