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Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht

Titel: Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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schluckte und sagte, ohne nachzudenken: » Ich will das gar nicht wissen. «
    Sie hob eine schmale schwarze Augenbraue und musterte ihn verwundert.
    » Nun sieh mich nicht an, als hätte ich den Verstand verl o ren. « Er hörte sich reden wie einen Fremden. Aber seine Entsche i dung stand fest, so als hätte sie sich ohne sein Zutun während seiner Bewusstlosigkeit verfestigt. » Ich will nichts davon hören, wer ich einmal gewesen bin. «
    Zum ersten Mal wirkte Wisperwinds Lächeln nicht gezwu n gen, sondern kam so sehr von Herzen, dass sie dabei sogar Zähne zeigte. Feiqing spürte, wie sie eine seiner Drachenpra n ken mit beiden Händen umfasste, und plötzlich erinnerte er sich wieder daran, dass sie ihn oben auf der Brücke einen Freund genannt hatte. Ihn, eine Witzfigur, einen Verfluchten – er war nun der Freund einer Schwertmeisterin vom Clan der Stillen Wipfel.
    » Ich glaube, ich weiß, was du meins t «, sagte sie leise . » Aber nur um ganz sicher zu gehen – erklär es mir. «
    Feiqing lag auf dem Rücken, sein klobiges Kostüm erlaubte keine andere Position, und so musste er den Kopf weit zur Seite drehen, um ihr in die Augen zu blicken. » Ich war ein Verbr e cher, nicht wahr? Es spielt überhaupt keine Rolle, was ich getan habe, jedenfalls nicht für mich. Irgendetwas, das schlimm genug war, dass sie mich in dieses Kostüm gesteckt und auf einem Luf t schlitten hinunter auf den Drachenfriedhof geworfen haben. Wäre ich ein Mörder, hätten sie mich sicher gleich hingerichtet. Stattdessen haben sie sich erst über mich lustig gemacht und dann wohl gehofft, dass ich trotzdem sterbe – man entweiht den Drachenfriedhof nicht ungestraft, erst recht nicht in solch einem Aufzug … Aber das spielt keine Rolle mehr. Was ich jetzt bin, mag vielleicht ein wandelnder Witz sein, aber ich kann wenig s tens dazu stehen. « Er verstummte kurz und suchte nach den richtigen Worten . » Vor ein paar Wochen habe ich eine En t scheidung getroffen: Niccolo und Nugua bei ihrer Suche nach den Drachen zu helfen, so gut ich eben kann. Vielleicht war das nicht immer ganz uneigennützig, und ein großer Held wird sicher auch nicht aus mir … Aber zumindest bin ich jetzt näher dran, einer zu sein, als jemals zuvor. «
    Wieder brach er ab und ließ die Worte nachklingen, wei l e r sich selbst erst darüber klar werden musste, wie viel sie ihm bedeuteten. Mit einem Mal stand ihm alles deutlich vor Augen: Er hatte während der vergangenen Wochen nicht um seine Vergangenheit gekämpft, wie er die ganze Zeit geglaubt hatte, sondern um die Chance auf eine neue Zukunft.
    » Ich mag früher ein Verbrecher gewesen sein … nun, imme r hin ein sehr gebildeter Verbrecher, nicht wahr? Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mich dabei besonders wohl gefühlt habe. Der, der ich heute bin, hätte sich jedenfalls ganz sicher nicht wohl gefühlt. Vielleicht weiß ich erst jetzt, wer ich wirklich sein will. Deshalb, ich meine … « – wieder suchte er nach Worten – » … darum kann mir meine Erinnerung gestohlen bleiben. Wahrscheinlich käme ich mir nur scheußlich vor und würde mich selbst verurteilen. Der Feiqing, der ich heute bin, kann sich zumindest im Spiegel in die Augen schauen. Alles, was ich in den letzten Wochen getan habe, war … na ja, es ist das Richtige, sich gegen den Aether zu stellen, oder? Also bin ich lieber der Feiqing von heute als der von früher. « Er räusperte sich. » Ergibt das einen Sinn? «
    Wisperwind hatte ihn die ganze Zeit über mit einem Lächeln angesehen, das gleichermaßen Ernsthaftigkeit und Stolz in sich vereinte. Aber … Stolz auf ihn? Der Gedanke schnürte ihm die Brust zusammen.
    Sie beugte sich vor, nahm sein Rattendrachengesicht in beide Hände und gab ihm einen freundschaftlichen Kuss zwischen die Augen – hätte sie ihm stattdessen einen Dolch in die Stirn gerammt, hätte der ihn kaum unverhoffter treffen können. » Wer hätte gedacht, dass jemals so viel Tapferkeit aus dir sprechen würd e «, sagte sie. » Ich habe in meinem Leben viel Mut auf dem Schlachtfeld gesehen, Männer und Frauen, die sich ohne Zögern einer hoffnungslosen Übermacht entgegengestellt haben. Aber nur selten ist mir jemand begegnet, der über sich selbst siegt, und ich glaube, unter all denen war kein Einziger, der so genau wusste, warum er es tat. «
    Feiqing knurrte leise. » Ist nicht schwer, wenn man weiß, dass man eh sterben wird. «
    » Du wirst nicht sterben. «
    » Aber die Händler werden –

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