Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant
Mädchen.« Seine Augen verengten sich. »Die schlechte Nachricht ist, dass sie es nicht mehr rechtzeitig geschafft haben, aus den Höhlen herauszukommen.«
Niccolo war noch am Leben! Was der Anblick Pangus nicht geschafft hatte, bewirkte jetzt ihre Erleichterung: Um ein Haar hätten ihre Beine nachgegeben. Yaozis Fühler schlängelte sich auf sie zu, zog sich aber wieder zurück, als sie sich zitternd aufrecht hielt.
»Wir müssen ihnen helfen!«, platzte es aus ihr heraus. »Darum bist du doch umgekehrt, nicht wahr? Lass uns gleich weiter -«
»Nugua«, unterbrach er sie und etwas an der Sanftheit, mit der er nun sprach, weckte ihren Argwohn.
»Das willst du doch, oder?«, fragte sie aufgeregt. »Niccolo helfen, meine ich.«
»Wie ich schon sagte: Xixati hat es nicht mehr geschafft, sie rechtzeitig aus den Höhlen herauszubringen, bevor ... sich alles verändert hat.« Sein Fühler wies in das tosende Chaos des geborstenen Gebirges. »Das heißt, sie sind noch immer dort drinnen.«
Sie starrte ihn verständnislos an. »Was meinst du mit...« Sie verstummte, als ihr Blick der Richtung folgte, in die sein Fühler zeigte. Ihre Stimme erstarb zu einem Flüstern. »O nein.«
Der grauschwarze Wall von Pangus Oberkörper füllte die halbe Welt aus; es schien, als wäre links von Nugua bereits die Nacht angebrochen, während es rechts noch hell war. Die Grenze verlief scharf abgegrenzt dort, wo sich der Umriss des Ur-Riesen in der Ferne verlor.
»Sie sind noch in seinem Inneren?«, fragte sie atemlos. »In Pangu?«
»Ja«, entgegnete der Drache.
»Und wir können sie dort nicht rausholen?«
Er zögerte kaum merklich, so als fiele es ihm schwer, die Wahrheit einzugestehen. »Unsere Aufgabe ist jetzt eine andere.«
»Wovon, bei allen Göttern, sprichst du?« Brodelnder Zorn stieg in ihr auf, durchmischt mit Verzweiflung. Zum ersten Mal in ihrem Leben stand Nugua kurz davor, hysterisch zu werden. Nicht einmal sie selbst hätte sich jetzt noch für einen Drachen halten können. Ein Mensch, dachte sie wie betäubt. Ich bin ein Mcnsch und ich liebe Niccolo. Mit einem Mal war es ganz leicht, sich das einzugestehen.
»Ich muss zurück«, sagte Yaozi. »Aber nicht um Nicco-los willen. Da ist noch etwas, das Xixati uns mitgeteilt hat. Ich weiß nicht, ob du -«
»Bitte, Yaozi!«
»Pangus Körper wird wieder zu Fleisch. Keiner konnte mit Sicherheit wissen, dass das geschehen würde - womöglich nicht einmal der Aether. Aber Xixati sagt, es gäbe keinen Zweifel. Pangus Inneres verändert sich mit rasender Geschwindigkeit. Was eben noch Stein war, wird wieder Fleisch.«
Sie werden dadrinnen sterben, durchfuhr es sie. Es hätte nicht schlimmer sein können, wenn der Riese sie aufgefressen hätte. Sie steckten irgendwo in seinen Eingeweiden fest!
»Was hast du vor?«, fragte sie wie betäubt.
»Fleisch ist verletzlich. Wenn es einen wunden Punkt gibt, dann wird er jetzt offenbar.«
Sie schüttelte den Kopf, während wieder Übelkeit in ihr aufstieg und sie zugleich das Gefühl hatte, laut schreien zu müssen. »Wir müssen versuchen ihnen zu helfen!«
Hinter dem Felsbrocken, auf dem sie sich befanden, tauchte unvermittelt ein zweiter Drache auf; er musste dort auf Yaozis Ruf gewartet haben. Nugua kannte ihn und hätte erleichtert sein müssen, weil er das Gemetzel in der Herzkammer überlebt hatte. Stattdessen aber wünschte sie ihn weit fort von hier. Ihr wurde plötzlich klar, was Yaozi vorhatte.
»Nein«, flüsterte sie. »Du wirst mich mitnehmen!«
»Du kannst nicht mitgehen, Nugua. Ich werde von dort nicht zurückkehren.«
»Ich gehe mit!«
Der zweite Drache kam näher, ein Fühler schlängelte sich in ihre Richtung. Sie hob drohend die Götterlanze. »Wage es nicht!«, fauchte sie ihn an.
Yaozi seufzte leise. »Mir bleibt nicht mehr viel Zeit. Du musst jetzt vernünftig sein. Ein Drache würde -«
»Ich bin kein Drache!«, schrie sie ihn an. »Ich bin ein Mensch! Und ich werde nicht vernünftig sein!« Sie deutete mit der Lanze auf den anderen Drachen, der aufgeregt zwischen ihr und seinem König hin- und herblickte. »Schick ihn weg!«
»Nugua, bitte ...«
»Wir holen Niccolo da raus! Wenn du mir nicht hilfst, dann versuch ich es allein.«
Ein Mensch hätte womöglich gelächelt, aber Yaozi hob nur eine seine Drachenbrauen, während die Nickhäute seiner Goldaugen noch enger zusammenrückten. »Du bist wahrlich meine Tochter, kleine Nugua.«
»Dann solltest du mich besser kennen.«
»Ich hätte die
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