Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant
Zeit«, rief sie ungeduldig. »Der Tunnel wird immer enger. Trag mich mit dem Fühler. «
»Zu gefährlich«, gab er zurück.
»Anders geht es nicht!«
Er ergriff sie und trug sie fortan in der Umklammerung seines Fühlers vor sich her; rechts und links seines Schädels war zu wenig Platz, weil der Tunnel zusehends schmaler wurde. So war es Nugua, die als Erste hinter Biegungen und über Wälle aus wucherndem Schorf blickte.
»Was genau hast du eigentlich vor?«, rief sie nach hinten.
»Der Aether muss vollständig in Pangus Körper fahren, um seine ganze Macht zu nutzen. Das macht ihn verwundbar. Wenn wir Pangu verletzen, dann schaden wir auch dem Aether.«
Nugua bemerkte im Schein der Drachenschuppen wallenden Golddunst in der engen Röhre; nur ein Bruchteil davon drang aus Yaozis Nüstern. Der Aether füllte bereits das gesamte Innere des Ur-Riesen aus. »Kann er uns nicht hören?«, fragte sie alarmiert. »Er ist überall um uns herum. «
»Wahrscheinlich. Aber er kann uns nicht aufhalten. Ich bezweifle, dass es hier noch Juru gibt, die uns angreifen könnten. Und falls doch, so haben sie wahrscheinlich längst den Verstand verloren und gehorchen ihm nicht mehr.«
»Das hoffst du nur, aber du weißt es nicht.«
Sein Schweigen war zugleich Eingeständnis.
Sie seufzte. »Und wenn wir die Herzkammer erreichen?«
»Werde ich Pangus Herz vernichten.«
»Falls es zu Fleisch geworden ist.«
»Darum sind wir hier.«
»Besonders vielversprechend klingt das nicht.« »Es gibt keinen anderen Weg.«
»Du willst dich opfern«, stellte sie tonlos fest.
Yaozi gab keine Antwort.
»Und wenn es nicht klappt? Wenn es genauso unverwundbar ist wie zuvor?«
Erst schien es, als wollte er auch darauf nichts erwidern, aber dann schnaubte er leise. »Dann sterben wir alle, so oder so. Ganz gleich, ob Drache oder Riese oder Mensch. Spätestens in ein paar Tagen wird es keinen sicheren Ort mehr geben. Dann wird dieses Chaos da draußen die ganze Welt erfassen.«
»Was macht dich so sicher, dass das nicht längst geschehen ist?«
»Die anderen haben gerade eben die offene Wüste erreicht. «
Sie versuchte sich in der Umklammerung des Fühlers umzudrehen und ihm in die Augen zu blicken. »Wirklich?«
Das schien ihn trotz der verzweifelten Lage zu amüsieren. »Du glaubst mir nicht, Drachentochter?«
»Wo sind sie jetzt?«
»Sie entfernen sich vom Rand. Das Chaos folgt ihnen, aber es ist langsamer als sie ... Was es nicht daran hindern wird, sich weiter auszubreiten. Vielleicht braucht es eine Woche, vielleicht zehn, bis es die ganze Welt zerstört hat. Doch wenn wir es jetzt nicht aufhalten, wird auch kein anderer mehr die Gelegenheit dazu bekommen. Alles, was ihnen dann bleibt, ist abzuwarten, bis es auch die letzten Überlebenden im hintersten Winkel der Erde erreicht.«
Nugua wich tief hängendem Schorf aus, als der Drachenkönig hinzufügte: »Da ist noch etwas. Ihre Gedankenbotschaften werden immer undeutlicher, je weiter wir ins Innere vordringen, aber noch kann ich sie hören ... Sie haben etwas entdeckt, draußen in der Wüste. Sie sagen, es sieht aus wie ein großer Haufen Schnee zwischen den Dünen. Oder wie eine Wolke.«
Sie schnappte nach Luft. »Nicht die Wolke, oder?... Ich meine,'warum sollte sie hier sein? Niccolo hat gesagt, sie ist irgendwo im Süden abgestürzt.«
Jäh stieß Yaozi ein zorniges Brüllen aus. Ein heftiger Ruck raste durch den Fühler, sein Klammergriff lockerte sich für einen Herzschlag, fasste aber gleich wieder zu, ehe Nugua ihm entgleiten konnte. Mit einem Mal bewegten sie sich nicht mehr vorwärts. Sie glaubte erst, dass sich seine Hörner wieder in die Tunneldecke gebohrt hatten. Dann aber sah sie, dass es schlimmer war.
Der Drachenkönig steckte fest.
Erst schnaubend, dann brüllend stemmte er sich gegen die engen Wände der Röhre, sprengte die rauen Krusten, zerrieb schwarzen Schorf unter seinen Schuppen und kam wieder frei. Nugua wurde in der Umarmung des Fühlers durchgeschüttelt und hätte fast die Lanze verloren. Dann aber wurde Yaozi wieder ruhiger und blickte an ihr vorbei in die Dunkelheit, die vor ihnen lag.
»Das hat keinen Sinn«, sagte sie leise. »Und du weißt das auch.«
Aber er hörte nicht auf sie, schob sich weiter, scharrte mit seinen Krallen Wälle aus wucherndem Fleisch beiseite und schnaubte dabei Unmengen Aether aus seinen Nüstern. Nugua sah ihm mit wachsender Angst dabei zu, während sie sich zugleich an den schwankenden Fühler
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