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Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant

Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant

Titel: Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Aetherpumpen zeigten sich ähnliche Lichterphänomene, haarfeine Netze aus Blitzen, die über die schwarzen Eisentürme flackerten. Alessia wollte ins Innere zurückweichen, aber ihre Faszination und Neugier waren stärker.
    Hatte ihre Hoffnung sie getrogen? Bedeutete der Stillstand über der Wüste nicht ihre Rettung, sondern den Anfang vom Ende? Sollten sie etwa hier draußen abstürzen, inmitten dieses Nichts? Vielleicht wäre das die größte Ironie von allen, tausendfacher Tod ohne jeden noch so scheußlichen Nutzen, ein Akt purer Willkür. Ein Spaß, den sich der Aether erlaubte, denn hatte er von den Menschen nicht zwangsläufig auch Bösartigkeit und Häme gelernt?
    Aber die Wolkeninsel sackte nicht tiefer. Abgesehen von den tanzenden Elmsfeuern und verästelten Blitzen gab es keine Anzeichen, dass etwas nicht stimmt. Nicht auf der Insel.
    Wohl aber jenseits davon, über den Bergen am Horizont.
    Was es war, das dort geschah, blieb ein Rätsel. Aber Alessia starrte darauf wie hypnotisiert, den Mund geöffnet, die Augen weit aufgerissen, während die Elmsfeuer nun auch auf sie übergriffen, an ihr auf und ab huschten -und auf einen Schlag erloschen.
    Etwas ließ die Welt mit einer solchen Gewalt erbeben, dass die Dünen unten in der Wüste erschüttert wurden und sich einen Herzschlag lang glätteten wie Sand im Sieb eines Kindes, um dann in einer verschwommenen
    Kettenreaktion neue Verwerfungen zu bilden, Buckel und Senken und Hügel und Täler, die eben noch nicht da gewesen waren.
    Aber dabei blieb es nicht.
    Jenseits der Wüste schienen die Berge in Bewegung zu geraten, und wenn nicht sie es waren, dann etwas, das sich vor sie schob wie ein Vorhang, ein Schleier aus Sand und Staub, der vom Boden in den Himmel hinaufströmte, erst noch durchlässig, dann immer dichter. Es war, als wüchse eine Wand aus der Einöde empor, auf einer Breite von hundert Kilometern oder mehr und noch immer sehr weit von der Wolkeninsel entfernt. So als ergösse sich die Wüste in den Himmel hinein, ließ sie den Sand an ihren Ausläufern emporschießen und irgendwo im Kosmos versickern - denn zurück fiel er nicht, blieb spurlos verschwunden, während mehr und noch mehr Staubfontänen in die Höhe rauschten und die Berge dahinter auslöschten.
    Es hätte ein Sandsturm sein können, wie Alessia schon früher welche gesehen hatte. Doch Stürme blieben nicht auf der Stelle stehen, sie wanderten und wallten in alle Richtungen.
    Und noch etwas sagte ihr, dass sie es hier mit etwas tausendmal Schlimmerem zu tun hatte: Hinter dem Sand, kaum noch sichtbar, zerbröselten die Umrisse des Gebirges wie alter Kuchen. Seine Krumen und Brocken stiegen mit dem Sand nach oben, aufwärts in den verschleierten Himmel, langsam, fast gemächlich, und doch mit unerbittlicher Gewissheit.
    Alessia fasste sich mit beiden Händen ins Haar, verschränkte die Finger am Hinterkopf, wusste nicht mehr, wohin mit sich selbst und ihren Gedanken, konnte nur zuschauen, tatenlos, ahnungslos, und darüber vergaß sie sogar, dass eine Erschütterung der Wolkeninsel sie unweigerlich übers Geländer schleudern würde. Aber sie dachte in diesen Augenblicken nicht an sich selbst, auch nicht an das Volk der Hohen Lüfte. In ihrem Kopf war ein Knoten aus hämmernden Fragen, wie ein pulsierendes Herz, das dort oben in ihrem Denken schlug, immer schneller und schneller, bis ihr Schädel vor Schmerz zu platzen drohte.
    Was geschah dort draußen?
    Was verbarg sich hinter diesem Wall aus aufstiebendem Wüstensand?
    Die Antwort lag in den Worten des Aetherfragments. Es hatte vom Plan des Aethers gesprochen, die Welt zu verändern - sie untergehen zu lassen, um sie nach seinem Willen neu zu formen.
    Alessia brach in die Knie und schrie wie noch nie in ihrem Leben. Schrie hinaus zum berstenden Horizont, dem Weltuntergang, dem Ende aller Dinge entgegen.

Felsbeben
    Kurz bevor die Welt in Stücke brach, erschlug Niccolo den letzten Juru.
    Die Felsenwesen, die versucht hatten Xixati zu überrennen, lagen leblos auf dem Boden der Vorhöhle. Der Drache hatte während des Kampfes in einem weiten Bogen vor dem Zugang zu Mondkinds Grotte gelegen und die meisten Angreifer mit Maul und Schwanz ferngehalten; jene aber, die weiter vordrangen und versuchten über die Mitte seines Schlangenleibes zu klettern, waren dort von Niccolo erwartet worden. Breitbeinig stand er auf Xixa-tis Rücken und schwang Silberdorn, als wäre ihm die Kunst des Schwertkampfes in Fleisch und Blut übergegangen.

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