Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant
Nicht elegant, aber ungeheuer wirkungsvoll.
Irgendwann hatte er aufgehört die Gegner zu zählen, die unter der Klinge des Götterschwertes fielen, und als ihr Ansturm schließlich abbrach, konnte er sekundenlang nicht glauben, dass es wirklich vorüber sein sollte. Nur zögernd ließ er das Schwert sinken. Er schnappte nach Luft, atmete zum ersten Mal bewusst den Gestank der erschlagenen Juru ein und musste gegen den Brechreiz ankämpfen, der augenblicklich seine Kehle verklebte.
Xixati stieß ein triumphierendes Schnauben aus, hob die Schwanzspitze vor die Augen und begutachtete seine
Wunden. An vielen Stellen drang Blut unter seinen glühenden Schuppen hervor, aber er betrachtete die Verletzungen eher neugierig als besorgt.
Erschöpft sank Niccolo neben Xixatis Drachenkamm in die Hocke. Er fühlte sich sogar zu schwach, um hinunter auf den Boden zu klettern. Angewidert starrte er auf das besudelte Schwert in seiner Hand.
»Nicht ich habe mit Silberdorn gekämpft, sondern Silberdorn mit mir«, sprach er einen Gedanken laut aus, der mit wachsender Gewissheit durch seinen Kopf geisterte; fast schämte er sich dafür. Es schien, als hätte das Schwert jeden Schlag und jeden Stich kontrolliert, ohne dass er selbst irgendeinen Einfluss darauf gehabt hatte.
»Unsinn«, widersprach Xixati und leckte Blut von seiner Klaue. »Jede Waffe ist nur so gut wie der, der sie führt.«
Niccolo legte das Schwert auf den Schuppen ab und betrachtete das Jurublut an seinen Händen. Er vermied es, die toten Kreaturen am Boden anzusehen. Ein einzelner Juru lag keine zwei Schritt neben ihm auf Xixatis Rücken.
»Entweder du nimmst ihn da weg«, sagte der Drache missmutig, »oder ich muss es tun. Aber dann wird es da oben für- dich ziemlich ungemütlich.«
Die Vorstellung, dass Xixati ihn gemeinsam mit dem Leichnam abschütteln könnte, ließ ihn sich mit einem Stöhnen aufrichten. Widerwillig schob er die Kreatur vom Rücken des Drachen. Mit einem Blick über die Schulter -dem hundertsten seit Beginn des Kampfes - versicherte er sich, dass keines der Wesen in die Grotte vorgedrungen war. Mondkind lag noch immer schlafend im Schein der Drachenschuppen auf ihrem Felsenpodest.
Er ergriff das Schwert und überlegte, womit er es reinigen könnte. »Warum kommen nicht noch mehr von ihnen, wenn sie doch -«
Der Satz wurde ihm im Mund abgeschnitten, als eine unsichtbare Faust ihn zu packen schien und in hohem Bogen vom Rücken des Drachen katapultierte. Mit einem Aufschrei prallte er auf die Felsen im Inneren der Grotte und verlor das Schwert aus der Hand. Als er fluchend die Augen öffnete, lag die Klinge direkt vor ihm, so als weigerte sie sich, im Halbdunkel verloren zu gehen.
»Xixati!«, rief er vorwurfsvoll durch die Öffnung im Fels. Seine Hand kroch wie von selbst um Silberdorns Griff und schob die Waffe in die Scheide auf seinem Rücken. »Du hättest wenigstens -«
»Das war ich nicht«, unterbrach ihn der junge Drache. Sein Schädel erhob sich über dem Schuppenwall seines Körpers und blickte zur Grotte herein. Allmählich lernte Niccolo, die Mimik der Drachen zu lesen, und was er in Xixatis Zügen sah, war mehr als nur Sorge über einen neuen Angriff: Falls ein Drache Panik zeigen konnte, dann war es bei Xixati gerade so weit.
Ehe er etwas sagen konnte, schwankte der Boden erneut, diesmal so heftig, dass Mondkind sich auf ihrem steinernen Lager aufbäumte. Einen Augenblick lang glaubte er schon, sie wäre erwacht, erkannte aber dann, dass der bebende Fels sie emporgeworfen hatte. Besorgt eilte er zu ihr, halb auf allen vieren, um die Erdstöße abzufedern. Xixati stieß ein heiseres Brüllen aus. Aber Niccolo lief weiter, jetzt noch schneller, als er sah, dass Mondkind von dem Podest zu rutschen drohte.
Er erreichte sie, als ein weiterer Stoß das Gebirge erzittern ließ. Hastig hob er sie vom Stein. Die wallende Seide zog sich schützend um ihren Körper zusammen. Mondkind lag in Niccolos Armen, als er sich zu Boden sinken ließ, den Rücken gegen den Felsblock presste und dabei versuchte, im Sitzen eine möglichst sichere Position zu finden. Er hatte beinahe vergessen, wie leicht sie war; selbst jetzt, da sie bewusstlos war, schien sie nahezu gewichtlos.
Die Erschütterungen wiederholten sich ohne Unterlass. Aus den Tiefen des Berges stieg ein Grollen auf, das Niccolo mehr Angst machte als das Kriegsgeschrei der Juru. Draußen vor dem Durchgang wälzte sich der Drache herum und versuchte zu ihnen in die Grotte zu
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