Das Wort des Hastur - 12
diesen Worten verschwand er aus dem Halbdunkel und ließ Valeria zurück, die nicht wußte, ob sie lachen oder weinen sollte.
C. FRANCES
Das Blau einer Matrix
Woran jedes Jahr Mangel besteht, sind gute, aber kurze Geschichten. Normalerweise ist das, was gut ist, nicht gerade kurz, und umgekehrt. Auch aus diesem Grund war ich so begeistert, als ich diese Geschichte erhielt: ein kleines Juwel für eine Frau die befürchten muß, ihren Platz im Turm zu verlieren. Dies ist kein ungewöhnliches Thema, wurde aber bislang selten so gelungen behandelt. Als ich die Geschichte kaufte, wußte ich über C. Frances nicht das Geringste, ja nicht einmal, ob sich hinter der Initiale Männlein oder Weiblein verbarg. Nur so viel stand fest und mehr brauchte ich nicht zu wissen: Er oder sie kann schreiben – und vor dem Herausgeber sind alle gleich.
Als dann die biographischen Angaben nachgereicht wurden, fand ich heraus, daß Ms. Frances zur Zeit an der San Francisco State University studiert und in Theaterwissenschaften den Magistertitel anstrebt; im Nebenfach hat sie Musik belegt. Sie besitzt eine Katze und lebt mit ihrer Mutter, Schwester, zwei Hunden, einer weiteren Katze und zwei Vögeln zusammen.
Als Laria in den Bach blickte, sah sie die blaue Matrix wieder vor sich, und ihre Augen begannen zu schmerzen. Sie hatte jede einzelne Anweisung des Tenerezus genauestes befolgt, aber der Stein war leb- und regungslos geblieben, ja nicht einmal das geringste Gefühl der Benommenheit hatte es bei ihr ausgelöst. Aber wie war es nur möglich, daß sie kein Laran besaß – diese wertvollste der Göttergaben? Sie war unter Leroni groß geworden und konnte dabei ständig mit ihnen in Rapport treten. Auch die Schwellenkrankheit hatte sie durchgemacht, was doch eigentlich auf das Erwachen von Laran schließen ließ. Aber vielleicht hätte sie nicht so lange warten sollen, sich untersuchen zu lassen. Sie war einfach davon ausgegangen …
Larias Brust senkte sich unter einem heftigen Seufzer, und beinahe traten ihr wieder Tränen in die Augen, als ihr so recht bewußt wurde, daß sie jetzt zum Clan ihres Vaters zurückkehren mußte. Leute, die Laria kaum kannte, und – was noch schlimmer war – die sie nicht kannten. Der Freitod erschien ihr der bessere Ausweg, wenn sie nur den Mut zu diesem letzten Schritt aufbrächte. Sie konnte sich kaum an einen Kopfblinden erinnern, der sich im Umfeld des Turms aufhielt, ganz zu schweigen davon, daß solche Leute im Turm geduldet wurden. Auch sie hatte ihn bislang noch nicht betreten, und jetzt würde ihr dieser Weg auf immer verwehrt bleiben.
Laria spritzte sich ein paar Wassertropfen ins Gesicht. Doch auch das machte ihre Gedanken nicht klarer. Aus dem Tiefland schlichen sich immer wieder Banditen über die Grenze – falls Laria sich nur lange genug draußen aufhalten würde, könnte sie Glück haben und in deren mörderischen Hände fallen …
Avrons Stimme schreckte sie aus solchen wirren Gedankengängen hoch. Er hatte ihr schon immer Halt gegeben. Gleich bei ihrer ersten Begegnung hatten sie Gefallen aneinander gefunden, aber momentan schien Laria ihn fast vergessen zu haben. Avron arbeitete bereits in einem Kreis. Eigentlich sollten die beiden sich bald verloben, aber jetzt …
»Alles in Ordnung mit dir, Laria? Ich habe mir solche Sorgen gemacht, als du nicht gekommen bist. Besonders nachdem du so lange beim Tenerezu warst. Sie sagten nur, du seist einfach davongelaufen.« Avrons Freude, sie endlich gefunden zu haben, wich der Ernüchterung, als er ihre rot verweinten Augen sah.
»Was geht die das an?« Jetzt wußte es also schon der ganze Turm!
»Laria, bitte, sprich mit mir. Wir sind einander so gut wie versprochen.«
»Das gilt nicht mehr, Avron. Es geht nicht! Nichts ist mehr so, wie es war.«
»Dann nenne mir bitte nur einen Grund.« Wenn nur der Test positiv ausgefallen ist!
»Du mußt jemand anderes finden, Avron.« Ich liebe dich. »Ich habe kein Laran .« Und ich werde dir nicht im Wege stehen.
Laria sah keinen Ausweg mehr. Sie konnte unmöglich beim Turm bleiben, selbst wenn man sie dazu aufgefordert hätte, solange Avron dort ständig in ihrer Nähe war. Andererseits konnte sie den Gedanken nicht ertragen, ihr Zuhause verlassen zu müssen.
Avron hatte mit solch einem Problem nie gerechnet. Nach allem, was sie miteinander geteilt hatten, konnte er es einfach nicht glauben. Sie mußte doch Laran besitzen, wenigstens ein bißchen! Avron wollte sie in
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