Das Wort des Hastur - 12
den Arm nehmen, aber ihre abweisenden blauen Augen hielten ihn zurück. Warum mußte das Laran so viel bedeuten?
»Gut, du hast kein Laran. Aber sollte uns das trennen?«
»Nein, das sollte es nicht. Aber so ist es. Und du weißt es ebenso gut wie ich.« Es versetzte Avron einen Stich ins Herz, als er erkannte, daß Laria recht hatte. Und ihr bekümmerter Blick verriet ihm, daß sie den gleichen Schmerz spürte.
Sie senkte ihren Kopf. »Ich gehöre nicht mehr hierher. Ich werde dir nie die vertraute Nähe schenken können, die du bei jedem anderen Mitglied des Turms findest. Ich habe immer gehofft, ich besäße wenigstens etwas davon.« Jetzt hielt er sie doch im Arm und spürte, wie ihre zierliche Gestalt unter dem Schluchzen erzitterte.
Avron war so aufgewühlt, daß er am liebsten den Turm zum Einsturz gebracht hätte. Warum mußte Laran alles verändern? Konnte Laria denn nicht sehen, wie sehr sich alle zu ihr hingezogen fühlten? In seinem Kreis sprach man oft von ihr und ihrem positiven Einfluß auf die Matrixarbeiter. Niemand wollte sie verstoßen, und ei am allerwenigsten.
»Auch ich wünschte mir, du hättest Laran«, seufzte er. »Aber was noch viel wichtiger ist: Ich liebe dich, Laria. Wenn auch du mir deine Liebe und Zuneigung schenkst, ist mir das genug.« Dann löste er sich aus der Umarmung. Ihm kam ein Gedanke, der an Selbstmord grenzte. Aber er konnte Laria doch nicht einfach so aufgeben; sie war das Ein und Alles in seinem Leben. Es mußte eine Möglichkeit geben, Laria in dieses Leben miteinzubeziehen. Und es gab sie …
Vorsichtig machte sich Avron daran, sich von seiner Matrix zu trennen. Als er sich Laria wieder zuwandte, hielt er ihr seinen persönlichen Sternenstein entgegen. Er hatte keine Angst. Larias Berührung hatte ihn nie geschmerzt, sondern Wärme und Leben in sein Dasein gebracht. »Nimm ihn!«
Laria starrte auf seine Hand. Dort lag die auf ihn abgestimmte Matrix – ein lebendiger Teil seiner selbst. Sie ohne Ausbildung zu entfernen, konnte sein Leben gefährden. Und genau das wollte Avron ihr anbieten – sein Leben. Nur einmal hatte Laria sie berührt, als sie gemeinsam die Matrix in ihren Händen hielten und sich feierlich gelobten, füreinander da zu sein.
»Ich kann es nicht.« Was könnte ich ihm bieten? »Ich liebe dich, und gerade deswegen werde ich dich nicht behindern.« Nicht als seine kopfblinde Frau, und schon gar nicht, indem ich sein Laran vermindere.
Sie riß sich los und stürzte die Uferböschung hoch. Immer wieder glitt sie aus. Sie wollte nur noch fliehen, wegrennen, weg von hier, weg aus diesem Leben. Doch dann hielt sie inne. Hatte da jemand nach ihr gerufen? Etwas hielt sie zurück. Aber was? Als sie sich im Unterholz umdrehte, erblickte sie die Banditen, die sie bereits umzingelten. Ihr Herzschlag setzte aus, als ein Dolch an ihr vorbeizischte, hinunter zum Bachbett flog und die Matrix in Avrons Hand zertrümmerte. Erst da wurde Laria klar, daß die Banditen sie gar nicht wahrgenommen hatten. In panischer Angst stürzte sie zu Avron zurück.
Laria konnte nicht mehr denken, sondern nur noch reagieren. Sonst hätte sie gewußt, daß Avron tot war. Als sie in die leblose Hülle Avrons schlüpfte, verlangsamte sich ihr Atem und ihre Gedanken wurden klar. Ihre Seele verband sich mit der von Avron und führte beide zurück ins Leben.
Avron wußte nicht, was vorgefallen war. Er hatte Laria noch hinterhergeschaut, als plötzlich Blitze seine Hand und Donnergetöse seine Ohren trafen. Sein gequälter Geist schrie auf. »Warum bin ich nicht tot?« Und dann: »Ich wünschte, ich wäre tot!« An Leib und Seele zerrissen trieb es ihn in die Oberwelt. Doch ganz allmählich glitt er zurück in seine eigene Gestalt, in seine eigenen Gedanken, in den vertrauten Kontakt mit seiner Matrix. Und Laria hielt ihn.
Laran durchströmte mit einem Mal Laria. Es war Avrons Laran, und sie wurde sein Verstärker. Ihre blau flammenden Augen richteten sich auf die Banditen, und Laria wußte, daß sie mit Avrons Laran alle töten konnte. Sie kochte vor Zorn, aber Avrons Willenskraft, von neuem lebendig und fürsorglich, besänftigte sie. Und so geschah der erschreckten Räuberbande nichts weiter, als daß sie in die Luft geschleudert wurde und Meilen entfernt zwar unsanft und verblüfft, ansonsten aber unverletzt, landete.
Als sie sich später wieder im Innern des Turms befanden, konnte Avron nicht davon ablassen, in Larias matrixblaue Augen zu schauen. Jetzt konnte nichts mehr
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