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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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dem Tisch lag. Dann stieß er die Scherbenspitze in die Nachbildung seiner eigenen Burg.
    Ein knarrendes, ohrenzerreißendes Geräusch entstand, daß sich bald zu einer ganzen Schreckenssymphonie steigerte. Inmitten des Aufruhrs stand Alaric Delleray regungslos und kreidebleich da. Seine zitternden Lippen formten nur ein Wort. »Warum?« Direkt hinter ihm stürzte ein Steinblock krachend zu Boden.
    »Die Mörder meiner Eltern«, flüsterte Dyan-Rakhal. »Die Lords und Könige, die mit Laran diese Kriege führen, als ob sie dabei nur ein paar Figuren in einem Schachspiel hin- und herschieben. Alaric Delleray, Regent von Serrano, du bist genauso schuldig wie all die anderen. Auch du willst mich und meine Gabe benutzen, um zu erobern und zu herrschen. Du willst der Herrscher aller Bergreiche sein.« Jetzt haßte er nur noch den Mann, für den er einst Liebe empfunden hatte. Du hast viel für mich getan, aber immer nur um meiner Gabe willen, dachte Dyan-Rakhal verbittert. »Es ist besser, wenn das Königreich zugrunde geht und keiner herrscht, als daß ein Monstrum wie du die Macht hat.«
    Schwere Eichenbalken ächzten und krachten, Staub wirbelte auf, Glas zerbarst und Scherben flogen. Dyan-Rakhal floh aus der Matrixkammer. Herabstürzendes Gebälk begrub und erstickte die Schritte, die ihm zu folgen versuchten.
    Loyu! Wo bist du? Dyan-Rakhal sandte verzweifelt seine Gedanken aus, er vergaß dabei, daß sein Bredu kopfblind war und ihn so nicht wahrnehmen konnte. Aber schon griff eine zierliche Hand nach der seinen, und ein Paar brauner Augen, die eben noch tief besorgt waren, schauten ihn erleichtert an. Vor ihnen tat sich in der Mauer ein Loch auf, und zusammen, wie zu einer Person vereint, sprangen Dyan-Rakhal und Loyu ins Freie.
     
    Die Hirschponies mühten sich einen von Tannen gesäumten Hang hinauf. Dyan-Rakhal und Loyu hingen unsicher in den Sätteln. Keiner von ihnen hatte je reiten gelernt. Wie durch ein Wunder schienen die Tiere zu erlahmen und anzuhalten, wenn man an den Zügeln zog. Dyan-Rakhal hatte davon einmal in einem Märchenbuch gelesen, das sein Onkel ihm gegeben hatte. Sie glitten beide vom Rücken der Hirschponies.
    Die aufgehende Sonne schaute zwischen den höchsten Gipfeln hervor und sandte ihre roten Strahlen ins Tal, in das die zwei jetzt hinabblickten. Ein schwacher Schein erhellte den Schutthaufen, wo einst eine mächtige Burg gestanden hatte.
    Es dröhnte in Dyan-Rakhals Gedanken. Noch auf der Flucht hatte er die Angst- und Schmerzensschreie gehört. Seine Gabe hatte wieder nur Zerstörung und Tod gebracht. Immer wieder schossen ihm Zerrbilder von stürzenden Steinen, splitterndem Holz und klaffenden Fleischwunden durch den Kopf. Es galt, eine letzte Pflicht zu erfüllen.
    Er griff in die Stulpe seines Stiefels, in der eine einzelne blaue Scherbe steckengeblieben war. Dann holte er seine Matrix aus dem Seidenbeutel hervor.
    »Bist du sicher, daß es nötig ist, Janu?« lautete Loyus besorgte Frage.
    Dyan-Rakhal nickte und dann sprach er es laut aus. Er mußte sich von nun an daran gewöhnen, alles in Worte zu fassen, denn es würde das einzige Mittel sein, mit dem er sich nicht nur Loyu, sondern auch allen anderen verständlich machen konnte. Und so stellte er die entscheidenden Fragen. »Was würde passieren, wenn ein anderer Herrscher von meiner Gabe erfährt und mich gefangen nimmt? Oder wenn die Machtgier meines Onkels mich plötzlich selber überkommt und ich ihr nachgebe? Wer könnte mich dann noch aufhalten?«
    »Ich verstehe«, erwiderte Loyu, und in seinen braunen Augen lag das gleiche Bedauern, das auch seinen Bredu noch bewegte.
    Dyan-Rakhal atmete tief ein und blickte zu dem Sternenband auf, das den Himmel in der Morgendämmerung überzog. Dann rammte er die Scherbe in die Mitte seiner Matrix. Der Kristall erzitterte und zersprang in tausend Stücke. Und auch Dyans Geist zerriß es in einem alles verzehrenden Schmerz. Dann schien plötzlich alles zu schrumpfen. Er taumelte und suchte, wirr umhertastend, nach Halt, den er schließlich an Loyus Schultern fand. Ihm war so, als ob er einen Teil seiner Sehkraft verloren hätte; er glaubte, blind zu sein.
    Doch dann schien sich der Schatten um ihn zu lichten. Nur ein eigentümlicher Schleier umhüllte nach wie vor seine Gedanken. Er mußte damit leben und lernen, sich an die neue Situation anzupassen, denn diesen Schleier würde er nie wieder los.
    War das so schlimm? Loyu hatte diesen Gedankenschleier sein Leben lang getragen. Und

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