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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Steine, die auf dem karierten Spielbrett seinen roten Figuren gegenüberstanden.
    Es sind lebende Menschen, keine Schachfiguren, rief ihm seine innere Stimme zu. Lebende Menschen, die einen realen Tod zu erleiden hatten, die in Kämpfen umkamen, deren Gründe Dyan-Rakhal nie begreifen konnte, ganz gleich, wie oft Onkel Alaric sie ihm erklärte. Die hämmernden Kopfschmerzen setzten wieder ein. Er zwang die weißen Kraftlinien seines Larans zu einem Schutzschild, das seine geheimsten Gedanken gegen weitere Nachstellungen durch den Onkel abschirmen sollte.
    »Ich glaube, ich habe da deinen König Schachmatt gesetzt, Janu.« Die angenehme Tenorstimme seines Spielpartners durchdrang seine finsteren Gedanken. Loyu deutete lächelnd auf das Spielbrett und Dyans hoffnungslos verfahrene Stellung.
    Loyu benutzte nie die offizielle Anrede ›Meister‹ oder ›vai Dom‹, sondern den vertrauten Kosenamen des Prinzen. Dyan-Rakhal hatte seinen Diener schon vor langer Zeit darum gebeten. Im Lauf der Jahre war Loyu ihm weitaus mehr als nur ein Diener geworden. Loyu war das ganze Gegenteil eines Comyn-Erben; er war kopfblind und das Ergebnis einer künstlichen Züchtung. Und dennoch hatten die beiden vor einer Langwoche, kurz nach der Zerstörung von Burg Rockraven, sich gegenseitig geschworen, Bredin zu sein.
    Die Zeremonie hatte ganz im Geheimen stattgefunden. Onkel Alaric hätte eine derartige Verbindung zwischen einem Ri’chiyu und dem Erben von Serrano strengstens verboten. Dyan-Rakhal blickte seinen triumphierenden Partner an und versuchte, in dessen fremdvertrauten, tiefbraunen Augen zu lesen. Du kannst dem Wind nicht Einhalt gebieten oder den Goldglockenblumen verbieten zu blühen.
    Dyan-Rakhal seufzte in Gedanken. Sein Onkel verbietet so vieles. Sein Blick glitt zu dem winzigen Fenster hinüber, das den einzigen Ausblick auf die Außenwelt gewährte. Liriels lavendelfarbenes Mondlicht erhellte den Abendhimmel. In Dyan-Rakhal tauchten Visionen und Gedanken auf, die er eigentlich nicht zu denken wagte. Zumindest noch nicht.
    Es läutete. »Das wird unser Abendessen sein, Janu«, flötete Loyu fröhlich. Er schlüpfte sofort wieder in die Dienerrolle, für die er eigentlich vorgesehen war, und erhob sich, um die Mahlzeit abzuholen. Dyan-Rakhal versuchte, den Aufruhr in seinem Magen zu beruhigen, den seine Ängste ihm verursachten. Er mußte sich zum Essen zwingen, denn er brauchte alle nur erdenkliche Kraft für die Arbeit, die sein Onkel ihm heute Nacht abverlangen würde. Und mehr noch für die Aufgabe, die er sich selbst abverlangen wollte.
     
    Dyan-Rakhal legte die Hand auf seinen Kristall. Lebensgroße Bildschirme bedeckten die Wände der Matrixkammer und reflektierten sowohl seine eigene Gestalt als auch die seines Onkels. »Scathfell!« kam der schneidende Befehl von Alaric. »Am Tag deiner Krönung wird Scathfell dir gehören, genau wie Rockraven und Leynier und vielleicht alle Bergreiche.« Berauscht von seinem Ehrgeiz begann sich seine Stimme zu überschlagen. »Eines Tages wird das alles dir gehören.«
    Dyan-Rakhal machte sich daran, das Kraftfeld der Matrix zu aktivieren und mit seinen eigenen Kräften zu verbinden. Er starrte in das bläulich-weiß schimmernde Licht. Immer neue Linien züngelten hervor und bildeten Stränge, die für seinen Onkel unsichtbar blieben. Damit baute Dyan einen inneren Schirm auf, der seine wahre Absicht verbarg.
    »Errichte jetzt die Burg«, drängte Alaric ihn. Die weißen Fäden, die noch ungeordnet auf dem Tisch lagen, formierten sich tänzelnd zu einer grauen, aus Stein gehauenen Burg, hinter der sich die Hellers erhoben. »Endlich werden wir die Mörder deiner Eltern zur Rechenschaft ziehen. Tue jetzt deine Pflicht! Es ist die Pflicht eines Prinzen!«
    Zorneswellen durchzuckten Dyan-Rakhal. Was an Wut und Empörung in all den Jahren der Isolation aufgestaut und unterdrückt geblieben war, brach sich jetzt Bahn und schlug in lodernden Flammen aus seiner Matrix hervor. Sein Geist arbeitete unablässig und brachte immer neue weiße Ranken hervor. Die Wände der steinernen Burg veränderten sich und nahmen eine vertraute Form. an. Ein Banner stieg am Fahnenmast auf – es war das grün-weiße Banner Serranos.
    Dyan-Rakhal stellte sich dem Regenten entgegen und starrte ihn herausfordernd an. »Ich werde die Mörder meiner Eltern zur Rechenschaft ziehen. Das ist die Pflicht eines Prinzen.« Ganz bewußt wiederholte er die Worte seines Onkels. Er ergriff eine blaue Scherbe, die auf

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