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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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weiter.
    »Nach ein paar Wochen fanden es dann alle ganz normal. Einige der Küchenmädchen haben mir sogar saubere Wäsche und andere Sachen gebracht, damit ich es wirklich gemütlich hätte. Wahrscheinlich hatten sie ein schlechtes Gewissen. Nachts lag ich dann oft lange wach und habe mich gefragt, warum ich so anders bin. Das geht mir heute noch so. Keiner erzählt mir was von meinem Vater. Dann liege ich so da und fange an, von Orten und Dingen zu träumen, die ich noch nie gesehen habe. Und ganz komische Gefühle überkommen mich! Gute Gefühle, zum Beispiel so, wie es war, als meine Mutter mich noch in den Arm nahm. Dabei ist doch keiner bei mir! Kalt wird mir jedenfalls nie. Und die Eule mit ihrem Nest oben im Scheunendach kann ich um Mitternacht fast so deutlich sehen wie am hellen Morgen. Nur letzte Nacht blies ein ziemlich starker Wind, und da hatte ich das merkwürdiges Gefühl, daß bald etwas ganz wichtiges passieren würde.«
    Die Sache mit dem Eulennest wollte Nathan nicht so recht glauben. Wahrscheinlich nahm sie ihn nur auf den Arm. »Wie ist es da oben? Darf ich dich da mal besuchen?« fragte er, plötzlich mutig geworden. Er war sich nicht ganz sicher, ob es sich für einen Jungen gehörte, das Zimmer eines Mädchens zu besichtigen.
    »Es ist nur eine mit Brettern abgetrennte Ecke auf dem Heuboden. Wenn du willst, helfe ich dir heute Nachmittag die Leiter hinauf.«
    Nathan atmete ganz aufgeregt und nickte voller Erwartung.
    Das Scheunentor ging auf und Rhoger kam hereingeschlurft. Unter der Wollmütze klebte ihm sein strähnig braunes Haar am Schädel. Er räusperte sich und spuckte auf den Boden. Ein granatroter Sonnenstrahl brach durch einen Mauerspalt und stach ihn direkt in seine blutunterlaufenen Augen. Eigentlich war es die Aufgabe des alten Mannes, das Vieh zu füttern und zu melken, aber das frühe Aufstehen behagte ihm überhaupt nicht mehr.
    »Morjen, Briana«, brummelte er. Ganz offensichtlich sprach er viel lieber etwas wesentlich Stärkerem als frischer, warmer Milch zu. Wenn die Kühe gegorenes firi gegeben hätten, wäre er wahrscheinlich aufmerksamer bei der Arbeit gewesen.
    »Guten Morgen, Rhoger«, erwiderte Briana gelassen, während sie die letzte Kuh versorgte. »Die hier sind schon alle gemolken. Ich gehe jetzt buttern.«
    Rhoger grunzte zufrieden; gegen eine solche Arbeitseinteilung hatte er nichts einzuwenden. Überhaupt kamen die beiden ganz gut miteinander zurecht. Briana war schon in Ordnung. Wenn es ihm nur nicht immer wieder kalt über den Rücken laufen würde, sobald er ihr beim Melken mit dem überzähligen Finger zuschaute! Auch der hinkende Junge mit den treuen Hundeaugen, der ihr überall hin folgte, störte ihn. An Briana war irgend etwas Besonderes, das der alte Mann einfach nicht benennen konnte.
    Rhoger hatte sich in ihrer Gegenwart schon immer etwas verunsichert gefühlt. Das Mädchen strahlte solch eine Gelassenheit und Selbständigkeit aus. Sie kümmerte sich um sich selbst und ihre Pflichten, ohne lange auf Anweisungen oder Zustimmung der Älteren zu warten. Außerdem empfand er ein gewisses Unbehagen, sie längere Zeit anzuschauen. Noch bevor er ihre Gesichtszüge näher betrachten konnte, schienen sie ihm vor den Augen zu verschwimmen.
    Briana schleppte den letzten Milchkübel ins hintere Scheunenende, wo ein kurzer, unterirdischer Gang zu einer kühlen Höhle in einem Felsvorsprung führte. Der kleine Nathan fror hier immer jämmerlich, aber Briana genoß die Kälte.
    Noch der alte Ian MacGregor hatte den gesamten Scheunenkomplex seines Berghofes vor dem Eingang zu dieser Granithöhle in den Kilghard-Bergen bauen lassen. Die Höhle war geräumig und reichte auf vier Ebenen tief in den Berg hinein. Die Decke war zwar niedrig, aber mehrere Luftlöcher sorgten für ständige Durchlüftung. Eine Naturquelle plätscherte munter aus einer engen Felsspalte am hinteren Ende hervor und sammelte sich in einem tiefen Loch.
    Im Licht der Kieferspanfackeln war eine Felskante zu erkennen, auf der Briana die Milch erst durch ein Sieb goß und dann zum Kühlen abstellte. Dann spülten und scheuerten sie und Nathan die Eimer unter der Quelle. »Wenn du damit fertig bist, kannst du in der Scheune das Heu vom Gang fegen. Und danach darfst du zurückkommen und etwas von der Buttermilch kosten.«
    Nathan schrubbte gehorsam den letzten Eimer. Diese Arbeit war ihm am unangenehmsten, denn das Wasser war eiskalt.
    Briana zog die Bottiche mit der Milch vom Vortag hervor,

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