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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Judith allein in den Bergen von einem hereinbrechenden Geisterwind überrascht worden war.
    Der Säugling gedieh jedenfalls prächtig, und die Tatsache, daß das Mädchen an jeder Hand sechs Finger besaß, galt allgemein als ein Zeichen, das Glück und Wohlstand für den gesamten Haushalt verhieß, wenn auch niemand so recht erklären konnte warum.
    Lady MacGregor versicherte Briana, daß Judith sie sehr geliebt habe. Sie nahm das Baby zwar nie mit in die Berge, aber es gab immer genug hilfsbereite Nachbarn, die sich während ihrer Abwesenheit um das kleine Mädchen kümmerten. Und als Judith erstaunlich früh nicht mehr in der Lage war, selber zu stillen, fand sich auch eine Nähramme für Briana. Judith brachte ihrer Tochter oft kleine Geschenke aus dem Wald mit: einmal war es die Feder einer Schnee-Eule, ein anderes Mal eine faustgroße Eichel und wieder ein anderes Mal ein spiralförmiges Horn, das eines der wilden, ziegenartigen Tiere abgeworfen hatte.
    Als Briana drei Jahre alt war, geschah das Unglück. Ihre Mutter war wieder alleine losgezogen, um ganz besondere Nachtschattengewächse zu sammeln. Am nächsten Tag fand man sie, von Skorpionameisen gebissen, tot auf. Obwohl Briana eine Nedestro -Tochterund der Vater unbekannt war, nahm Lady MacGregor sie sofort als Pflegekind auf, und so wurde sie zusammen mit einer ganzen Schar anderer Cousins und Cousinen aus dem weit verzweigten MacGregor-Clan mit der gleichen Liebe großgezogen.
    Briana war ein ernsthaftes und schweigsames Kind. Sie war nicht gerade unglücklich, aber die üblichen Spiele und Pflichten im Haushalt waren nicht nach ihrem Sinn. Dennoch mußte jeder seinen Teil zum gemeinsamen Wohlergehen beisteuern. Deshalb machte sich die kleine Briana daran, in den Stallungen auszuhelfen, sobald sie stark genug war, einen Haferkübel zu tragen. Normalerweise wurden Mädchen zu solch schwerer körperlicher Arbeit nicht ermutigt, die sie ohnehin aufgeben mußten, wenn sie später heiraten und sich um die Kinder kümmern würden. Aber sie war dabei um so vieles glücklicher, daß niemand sie davon abhalten wollte.
     
    Nathan kam zurückgeeilt und unterbrach sie in ihren Träumereien. Er versuchte, einigermaßen still zu halten und nicht zu zeigen, wie ungeduldig er auf den Ausgang der Geschichte wartete. Es hatte ihn eine halbe Ewigkeit gekostet, den Mut zu finden, sie danach zu fragen. »Was war jetzt mit dem Schnee, Briana? Was ist dann passiert?«
    »Na ja, erst einmal mußte ich alle Schuhe trocknen, und als Strafe gab es eine ganze Woche lang keinen Nachtisch für mich. Das fand ich einfach ungerecht! Es war doch blöd, sich wegen so ein bißchen Schnee aufzuregen. Und dann habe ich mir gedacht, wenn die anderen schon deshalb so einen Aufstand machen, dann ist es vielleicht wirklich besser, wenn ich mir einen anderen Platz zum Schlafen suche.«
    »Hattest du denn gar keine Angst?« keuchte Nathan.
    »Überhaupt nicht. In der Scheune hatte ich ja schon geholfen, als ich so alt war wie du. Und für meine acht Jahre konnte ich schon ziemlich stur sein. Schließlich hatte ich ja auch sonst niemanden, der mir jeden Tag auf Schritt und Tritt gefolgt wäre. In der nächsten Woche habe ich dann meine Sachen auf den Heuboden verfrachtet. Die anderen Mädchen aus der Küche haben geglaubt, daß ich einfach in ein anderes Zimmer gezogen wäre. Es dauerte noch zwei Wochen, bevor die ganze Sache rauskam. Aber damit hatte ich schon bewiesen, daß es mir ernst war, hier draußen zu schlafen. Zunächst war jeder entsetzt und meinte, das ginge nicht. Aber ich habe dann ganz schön Theater gemacht.
    Schließlich hat sich die Lady MacGregor viel Zeit genommen und ganz lange mit mir über eine Menge geredet. Wußtest du eigentlich, daß sie dir in die Gedanken schauen kann? Den anderen hat sie erklärt, daß ich meine Angelegenheiten auf meine Weise regeln müßte, und auch, daß sie bedenken müßten, daß ich ein bißchen anders sei als sie. Dann hat die Lady noch etwas von einem fait accompli gesagt, was aber keiner so richtig verstanden hat. Jedenfalls hat sie gemeint, es wäre schon in Ordnung, wenn ich hier draußen bleibe, solange ich nicht völlig verdreckt zu den Mahlzeiten im Gutshaus erscheinen würde. Und wenn ich wieder mal Probleme hätte, sollte ich gleich zu ihr kommen und darüber reden.«
    Briana tauschte den nächsten Milcheimer mit Nathan aus, den dieser brav wegbrachte, während sie sich die nächste Kuh vornahm. Als er zurückkam, erzählte sie

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