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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Eröffne auf dem Marktplatz einen kleinen Stand, zeichne dort einige schnelle Skizzen … und du wirst überrascht sein, wieviel man an einem guten Tag damit verdienen kann. Wenn du wirklich so gut bist, wie du glaubst, wirst du schneller als du dich versiehst genug Geld zusammengespart haben, um dir deinen eigenen Laden mieten zu können.«
    Eryn nahm die Mappe wieder an sich.
    »Ich weiß ja, daß du etwas anderes erwartet hast. Hast du denn keine Verwandten, die bereit wären, dir das Geld zu leihen? Du kommst doch aus Serrais …?«
    »Jawohl, ich bin ein Nedestro -Sohnvon Lord Alexi. Aber er hat bereits meine Ausbildung in Nevarsin und auch die Reise hierher bezahlt. Er meinte, ich verdiene eine Chance, aber für einen Laden würde er mir kein weiteres Geld geben. Ich müsse meinen eigenen Weg gehen.«
    »Und damit hat er völlig recht«, pflichtete Meister Therrold bei. »Es ist gar nicht so schwer, einen Versuch zu unternehmen, wenn man gut ist und an sich glaubt.«
    »Aber das tue ich doch! Ich würde nur wesentlich mehr verdienen, wenn ich meinen eigenen Laden hätte. Die Adligen werden doch keinen Straßenmaler für ihre Portraits beauftragen.«
    »Nein, das wohl nicht. Aber dafür wirst du auf dem Markt eine viel interessantere Kundschaft haben als auf der Burg. Du wirst es jedenfalls nicht bereuen.«
    Schöne Worte – aber Eryn bereute es bereits jetzt! Doch was blieb ihm schon anderes übrig, als aus Meister Therrolds Vorschlag das beste zu machen? Er verstaute seine Zeichnungen in der Tasche, verbeugte sich artig und dankte dem Meister für seine Güte und Großzügigkeit. Diese Worte stießen ihm bitter auf.
     
    Die nächsten zwei Langwochen vergingen für Eryn wie im Flug. Täglich verließ er früh morgens das Zunfthaus und begab sich zum Marktplatz. Es dauerte einige Tage, bis er die günstigste Stelle für seinen Stand ausfindig gemacht hatte. Einerseits brauchte er zum Arbeiten viel Licht, andererseits benötigte er eine Hauswand, an der er seine Zeichnungen leicht ausstellen konnte. Aus dem Zunfthaus borgte er sich zwei Stühle und ein Zeichenbrett, das er als Unterlage auf dem Schoß hielt, wenn er seine Portraits malte. Diese waren zwar nicht so detailliert und elegant, wie er es sich selber gewünscht hätte, aber trotzdem lief das Geschäft.
    Zuerst fertigte er nur Kohlezeichnungen an. Als er damit genug Geld verdient hatte, kaufte er sich vom Apotheker einige billige Pigmente, mit denen er seine eigenen Tuschen mischte, um so seinen rasch schwindenden Vorrat aufzustocken. Außerdem leistete er sich einige feinere Zeichenstifte, mit denen er viel detaillierter skizzieren konnte.
    An Kundschaft mangelte es ihm nie. Seine Fähigkeiten sprachen sich auf dem Markt schnell herum, und seine Preise hielt er bewußt niedrig, so daß sich auch die meisten aus dem einfachen Volk seine Arbeiten leisten konnten – Eryn sagte sich, daß es besser sei, viele billigere Portraits zu verkaufen als einige wenige teure Exemplare. Je mehr Leute ihm etwas abkauften, desto schneller würde sich auch sein Ruhm verbreiten.
    Und genau so kam es – sogar in einem Ausmaß, daß seine Portraits schon bald auch im Zunfthaus zum Gesprächsstoff wurden. Es war kaum zu fassen. Die Leute kamen in Scharen zu seinem kleinen, improvisierten Stand und standen bei jeder Witterung geduldig Schlange, um sich von dem neuen, jungen Künstler zeichnen zu lassen. Andere Zunftgenossen fingen bereits an, sich zu beschweren und Gerüchte über unlautere Geschäftsmethoden zu verbreiten. Dies kam schließlich auch Meister Therrold zu Ohren, der daraufhin zwei seiner begabtesten Künstler zum Marktplatz sandte, um mehr über dieses Phänomen herauszufinden. Sie kehrten völlig verdutzt zurück.
    »Ich kann es einfach nicht verstehen. Er zeichnet ganz ordentlich, aber so berauschend sind seine Portraits nun auch wieder nicht. Und trotzdem ist jeder einzelne Kunde mit seinem Kauf glücklich und zufrieden.« Der andere bestätigte das. »Wie gesagt, seine Arbeit ist gut, aber auch wieder nicht so gut. Und noch etwas ist merkwürdig. Jedesmal gelangt er bei seinen Zeichnungen an einen gewissen Punkt, bei dem er das genaue Abbild des Modells trifft. Jedenfalls erscheint es mir so, und auch alle anderen finden das. Aber er läßt es damit nicht genug sein. Er zeichnet weiter, ändert hier etwas leicht ab und fügt dort eine Kleinigkeit hinzu. Und das Verrückte ist: selbst wenn es danach dem Modell nicht mehr so treffend ähnlich sieht wie

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