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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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in seinem Amtszimmer empfangen.« Dann zögerte der junge Mann einen Moment lang und fügte schließlich hinzu: »Oder möchtet ihr euch zuvor noch etwas frisch machen?«
    Eryn war die Frage peinlich. War es derart offenkundig, daß er gerade erst in der Stadt angekommen war? Roch man es vielleicht sogar schon? Jedenfalls nahm er das Angebot dankend an. Er folgte dem Lehrling durch die Halle, bis sie zu einer kleinen Kemenate kamen, wo er sich erleichtert den Staub der Straße von Händen und Gesicht waschen konnte. Was seine Kleidung betraf, so war auch seine Wechselwäsche in einem derart jämmerlichen Zustand, daß es keinerlei Verbesserung dargestellt hätte, sich noch umzuziehen. Die Reise von Nevarsin nach Thendara hatte nicht nur seine Garderobe, sondern auch seine schmale Börse über Gebühr in Anspruch genommen. Gerne hätte er zumindest noch einen neuen Kasack für dieses Treffen erstanden, aber wie die Dinge nun einmal lagen, hatte er noch nicht einmal genug Geld für ein Nachtquartier, sollte man ihm nicht gestatten, im Zunfthaus zu übernachten. Nicht etwa, daß er die Möglichkeit einer Zurückweisung in Betracht zog. Nein, das gewiß nicht, schließlich verstand er sein Gewerbe besser als jeder Mönch der Abtei. Bruder Randolf selbst hatte ihm das immer wieder versichert. Und als es klar wurde, daß Eryn dem klösterlichen Leben nichts abgewinnen konnte, da war es wiederum Bruder Randolf, der ihm dazu riet, bei der Zunft der Portraitmaler um Beschäftigung nachzusuchen. Bis zum Rang eines Gesellen hatte er es bereits gebracht, und es war durchaus möglich, daß er den Meistertitel erlangte. Aber das konnte er natürlich nur mit der offiziellen Zustimmung der Zunft erreichen. Jedenfalls war er vom Wert seiner Arbeit überzeugt. Mögen die anderen es doch auch so sehen, betete er insgeheim.
    Nachdem er seine Hände abgetrocknet hatte, klopfte Eryn den Staub aus seinen groben Arbeitshosen und wischte ihn mit dem feuchten Handtuch von den Stiefeln. Er strich sich mit den Fingern durchs Haar – als Kamm mußte das genügen. Dann hob er seufzend seine Siebensachen auf und verließ den Raum. Der Lehrling musterte ihn grinsend, und Eryn erwiderte das Lächeln, als er ihm wieder durch die große Halle folgte. Am anderen Ende befanden sich zwei Doppeltüren, die überreich mit Schnitzwerk verziert waren. Die Türknaufe und Angeln bestanden wie der Großteil der Verzierungen in der Halle aus vergoldetem Kupfer, wie Eryn mit Genugtuung feststellte. Wenn es der Zunft offensichtlich so gut ging, dann würden sie sich vielleicht auch ihm gegenüber großzügig erweisen.
    Die Türen öffneten sich, und Eryn trat ein. Der Raum wirkte auf den ersten Blick eher wie eine Bibliothek und nicht wie ein Amtszimmer. Drei der vier Wände waren mit Bücherregalen zugestellt, auf denen schwere Ledereinbände warm glänzten. Durch die Butzenscheiben strömte das Licht der Nachmittagssonne herein und ließ das lebhafte Muster des Teppichs noch lebhafter erscheinen. An einer Seite befand sich ein Kamin, in dem ein kleines Feuer brannte. Darüber hing ein altes Schlachtengemälde. Neben dem Fenster stand ein Schreibpult, das die gleichen Schnitzmotive wie die Kamineinfassung aufwies. An seinem Schreibtisch saß ein Mann vorgerückten Alters, der die Tracht eines Zunftmeisters trug.
    Eryn verbeugte sich höflich, als der Lehrling ihn vorstellte. Der Meister erhob sich und nickte dann dem Lehrling zu, der sich daraufhin umwandte und den Raum verließ. Leise schlossen sich die Türen hinter ihm.
    »Willkommen, Geselle Eryn. Wie ich höre hast du eine lange Reise hinter dir. Ich nehme doch an, daß alles friedlich verlief.«
    Eryn spürte, wie er feuchte Hände bekam. Er hatte sich das alles so viel einfacher vorgestellt! Dann räusperte er sich und erwiderte: »Danke der Nachfrage, Meister Therrold, ich kann nicht klagen. Es dauerte zwar länger, als ich erwartet hatte, aber es gab keine besonderen Vorkommnisse. Um so glücklicher bin ich, endlich hier zu sein …« Doch dann verlor er den Faden. Plötzlich wußte er nicht mehr, was er sagen sollte. Seine schöne, wohlgesetzte Rede wollte ihm einfach nicht mehr einfallen.
    Meister Therrold setzte sich und wies Eryn mit einer Handbewegung an, ebenfalls Platz zu nehmen.
    »Von Bruder Randolf habe ich mehrere Schreiben über dich erhalten.« Er legte eine Pause ein. Eryn nickte.
    »Er scheint von dir und deinem künstlerischen Talent sehr viel zu halten, ja er empfiehlt uns sogar, dich

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