Das Wort des Hastur - 12
brütender Hennen schert mich nicht. Dennoch kann ich dir versichern, daß die Mutter des Kindes von edler Abkunft ist, eine Nedestro -Tochter Hasturs aus einer Verbindung mit einer hochstehenden Tochter aus dem Hause Aillard. Muß ich noch deutlicher werden?«
»Nein, du hast bereits genug gesagt, um mich den Rest der Geschichte erahnen zu lassen. Wenn ich, was die Mutter betrifft, mit meiner Vermutung richtig liege – und du weißt, daß ich allen Grund habe, daran interessiert zu sein – , dann hat dieses Kind nicht weniger als sechs mögliche Väter, allesamt Banditen aus den Kilghard-Bergen.«
Leonie zuckte nicht einmal bei dieser schlimmsten aller Beleidigungen zusammen. »Und wenn dem so wäre? Warum ist es einerseits ein so großer Skandal, daß eine Comyn-Tochter das Kind eines Banditen zu Welt bringt, wenn man andererseits nichts dabei finden würde, wenn die Mutter von niederer Geburt und Lord Alton oder ein Ridenow oder du, mein Bruder, der Vater wäre? In letzterem Fall würde man darauf achten, daß das Kind von anständigen Leuten großgezogen würde, und falls irgendein Zweifel daran bestünde, würde man eine Pflegschaft in der weitverzweigten Verwandtschaft arrangieren. Und hätte das Mädchen dann ein gewisses Alter erreicht, würde ganz zufällig eine Leronis durch ihren Ort reiten und sie auf ihre telepathischen Fähigkeiten hin überprüfen. Und sollte sie vielversprechendes Laran besitzen, würde man sie im Turm von Neskaya aufnehmen, oder man würde zumindest eine kleine Mitgift für sie aussetzen, damit man sie an einen Gutsbesitzer oder Offizier der Garde verheiraten kann. Warum also sollte dieses Mädchen hier verstoßen werden, nur weil ihr Vater, und nicht etwa ihre Mutter, von niederer Geburt ist?« Obwohl die Worte schwer wogen und sogar anklagend waren, behielt Leonie doch ihre sorgsam gewahrte Fassung. Mit der gleichen Gelassenheit hätte sie die Neubepflanzung der Gewächshäuser besprechen können.
Lorill nahm am Feuer Platz, ein Luxus, den sich seine Schwester in ihren eigenen Gemächern normalerweise nicht gönnte. Man hatte es wohl nur dem Kind zuliebe entfacht, aber Lorill war dennoch froh, etwas Behaglichkeit in Leonies asketischem Leben vorzufinden, und sei es auch nur ein offenes Kaminfeuer.
»Du verstehst mich falsch, Leonie. Ich habe keineswegs die Absicht, das Kind zu verstoßen oder zu bestrafen. Ganz im Gegenteil, ich möchte dir vorschlagen, das Kind einem meiner Männer anzuvertrauen, der auf sein Gut bei Armida zurückkehrt. Er ist di catenas mit einer rechtschaffenen Frau vermählt, die keine eigenen Kinder hat und die sich gut um die Kleine kümmern würde.«
Das Baby erwachte und begann zu schreien. Leonie läutete, und sogleich erschien eine wohlbeleibte, matronenhafte Frau, die das Kind auf den Arm nahm. Lorill fragte sich, wie es möglich gewesen war, eine Frau zu finden, die durch den Schleier von Arilinn gelangen konnte und trotzdem bereit war, als Amme zu dienen. Offenbar reichte Leonies Einfluß sehr weit, vielleicht sogar noch weiter als sein eigener.
Als die Frau wieder gegangen war, erhob sich Leonie von ihrem Stuhl, trat ans Feuer und starrte in die Flammen. Nach einiger Zeit drehte sie sich wieder um. »Ich danke dir, Lorill, für dein großherziges Angebot. Ich freue mich, daß du dich um das Wohlergehen des Kindes kümmern willst, aber ich habe bereits andere Pläne. Ich beabsichtige, das Mädchen selber zu behalten.«
Lorill überhörte die Endgültigkeit, die in ihren Worten lag. »Leonie«, redete er sacht auf sie ein, »du mußt doch selbst wissen, wie grotesk dieses Vorhaben ist. So etwas ist noch nie vorgekommen! Zum Glück sind wir von den dunklen Zeiten weit entfernt, als man eine Bewahrerin unfruchtbar machte und sie damit ein Leben lang an ihre Stellung fesselte. Wenn du dich also so sehr nach einem Kind sehnst, dann gib dein Amt auf, und ich werde eine Heirat für dich arrangieren. Aber eine Bewahrerin kann kein Kind großziehen! Das hat noch keine getan!«
»Dann werde ich eben die erste sein. Ich möchte Arilinn nicht verlassen, sondern dieses Kind in Pflege nehmen. Darf ich dich daran erinnern, daß eine Bewahrerin einzig ihrem Gewissen verpflichtet ist?«
»Das ist richtig, und ich spreche dir dieses Recht auch nicht ab. Aber warum, Leonie? Welchen Grund hast du dafür? Du wirst allseits respektiert, bewundert, ja sogar gefürchtet. Willst du all das aus einer Laune heraus aufs Spiel setzen? Sag mir doch wenigstens
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