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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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warum!«
    Leonie saß schweigend da. Sie wünschte, sie könnte sich Lorill auch ohne erklärende Worte verständlich machen, wünschte sich, sein Laran wäre stärker, so daß er es telepathisch erfassen könnte. Und sie wünschte sich, sie wäre nicht zu dieser anerzogenen, strikten Zurückhaltung verpflichtet, sondern dürfte ihren Gefühlen freien Lauf lassen. Dann würde Lorill sie verstehen …
    »Bewahrerin zu sein«, setzte sie langsam an, »bedeutet auch zu lernen, kein Mensch mehr zu sein und sich so weit zurückzuziehen, bis man keine menschliche Begierde mehr verspürt, und auch die Begierden anderer einen nicht mehr berühren können. Es heißt, so vieles aufzugeben. Ich habe der Liebe und dem menschlichen Umgang mit meinen Altersgenossen entsagt. Aber ein Kind beeinträchtigt weder den freien Energonenfluß in meinem Körper, noch die Reinheit der physischen und psychischen Konzentration, die ich als Bewahrerin aufbringen muß. Es ist für mich möglich, ein Kind großzuziehen! Und dieses Kind wurde mir von einer Frau anvertraut, die dazu nicht länger in der Lage war und die sonst niemandem vertrauen konnte. Ich glaube, es ist recht getan, daß es bei mir bleibt.«
    Lorill seufzte. »Ich wünschte, ich könnte auch so sicher sein. Begreifst du denn nicht, Leonie, daß ein Fehler zu diesem Zeitpunkt um so schwerer wiegt. Die alten Traditionen sind in Gefahr. Es gibt Menschen auf unserem Planeten, die von entlegenen Sternen kommen und von dort Sitten und auch Kräfte mitgebracht haben, die unsere eigene Lebensweise und sogar das Abkommen mit ihnen bedrohen. Sie halten sich bei den Aldarans auf, und bei Caer Donn haben sie einen sogenannten ›Raumhafen‹ errichtet – ein gigantischer Gebäudekomplex, höher als jeder Turm oder sonstiges Bauwerk in Thendara! Ich habe die Anlage nur aus einiger Entfernung gesehen, aber auch so war sie imposant und erschreckend. Etwas Vergleichbares hat es noch nie gegeben. Wenn es an der Zeit ist, Vaters Nachfolge anzutreten, habe ich vor, die Terraner auch nach Thendara zu holen, damit wir ihre Rolle auf unserem Planeten vielleicht besser festlegen können. Aber denk daran, Schwester, wie unsere eigenen Leute auf die Veränderungen reagieren werden, wie sie von den Neuerungen verlockt werden könnten und möglicherweise nicht länger auf die Führung durch den Comyn-Rat oder die Türme vertrauen! Und was werden sie erst denken, wenn sie sehen, daß selbst die Hasturs mit der Tradition brechen? Du bist eine Hastur und dazu noch Bewahrerin von Arilinn. Es ist eine große Verantwortung und heilige Aufgabe. Darum gib bitte dein Vorhaben auf, bevor sich die Gerüchte noch weiter verbreiten.«
    »Wie bin ich dieser heiligen Aufgaben überdrüssig! Ich habe ihnen schon mein ganzes Leben und den größten Teil meiner Menschlichkeit geopfert.« So kontrolliert Leonies Stimme auch klang, es lag doch eine ungewohnt zornige Schärfe in ihren Worten. Einen Augenblick lang stand sie regungslos da, und Lorill beobachtete, wie sie ganz bewußt und bedächtig tief einatmete – eine der grundlegenden Übungen zur Kontrolle von Laran.
    »Ich werde darüber nachdenken, Lorill«, versprach Leonie schließlich. »So viel kann ich dir jedenfalls versprechen.« Sie wandte sich vom Feuer ab und trat an seine Seite. »Wirst du mir beim Essen Gesellschaft leisten?«
    »Leider nein. Ich muß auf der Stelle heimkehren.« Lorill stand auf, drehte sich dann aber doch noch einmal um. »Hat sie schon einen Namen?«
    Leonie brauchte nur einen Moment, bevor sie begriff, daß er nach dem Kind fragte. »Ich habe sie Ferrika genannt. «
    Lorill lächelte. »Als wir noch klein waren, hast du deine Freundin, die es nur in deiner Einbildung gab, immer so gerufen.«
    »Und ich habe auch immer gesagt, daß ich meine Tochter, sollte ich einmal eine haben, Ferrika nennen würde.«
    »Kein Hastur hat je einen solchen Namen getragen.«
    »Jetzt schon.«
     
    Als Leonie wieder allein in ihrer Kammer war, wünschte sie, sie wäre sich ihrer Sache nur halb so sicher, wie sie es gegenüber Lorill vorgegeben hatte. Konnte sie es wirklich tun? Konnte sie das Leben einer Bewahrerin führen, entrückt, unpersönlich, umhüllt von einem Mysterium, und dem Kind doch eine Mutter sein? Und wenn es ihr möglich war, warum hatte es dann noch keine Bewahrerin vor ihr getan?
    Aber als sie die kleine Ferrika dann wieder in ihren Armen hielt, empfand sie auf eine Art und Weise neues Leben in sich, wie sie es in den langen Jahren der

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