Das Wort des Hastur - 12
fuhr er Tony an. »Hab’ ich dir nicht gesagt, auf diesen Felsvorsprung aufzupassen? Steh schon auf – hier können wir nicht bleiben!«
Tony, der unter seinem dreckverschmierten Gesicht und den Sommersprossen kreidebleich geworden war, legte den Kopf schräg zur Seite. »Ich kann nicht mehr auftreten!«
»Mir gleich, ob dein Bein gebrochen ist. Vorwärts!« Donatos rostrote Augen zogen sich zusammen. Er strahlte eine ungeheure Kraft aus. »Wir können nicht noch mehr Zeit verlieren!«
»Laßt mich hier zurück«, jammerte Tony. »Dieser Planet hat was gegen mich … Laßt mich in Ruhe!«
Die anderen beobachteten die beiden von unten; ihre bleichen Gesichter verschwanden schon fast im Nebel. Lian durchschnitt das Seil, das Tony mit Sara verband.
»Führt die anderen weiter, Donato«, erklärte sie ruhig. »Ich werde mit Tony nachkommen.«
Donato stieg die Zornesröte ins Gesicht, mußte aber seinen Einwand unterdrücken, als Wandirr die Zustimmung gab. Lian beachtete ihn ohnehin nicht, sondern beugte sich bereits über Tony. »Es ist nicht mehr weit bis zur Talsohle«, munterte sie ihn auf, »und auf der anderen Seite wird es leichter werden.«
Das stimmte zwar nicht ganz, aber mit Lians Geschicklichkeit gelang es ihnen schließlich, die anderen später wieder einzuholen. Als sie die Schlucht endlich überwunden hatten, brauchte Tony seinen Fuß nur noch leicht zu schonen. Er behauptete sogar schon wieder, daß Saras ständige Suche nach Pflanzensorten sie mehr Zeit kostete als seine Verstauchung.
»Sie sollten beide in einem Basislager hier zurückbleiben«, riet Donato an diesem Abend, als Lian gerade versuchte, den feuchten Zweigen ein paar Flammen abzutrotzen. »Wir sind schon viel zu lange aufgehalten worden. Dieses Ding, was immer es auch sein mag, kann man nur zur Sonnenwende sehen, stimmt’s? Wenn der Waldläufer die Wahrheit sagt, dann bleiben uns nur noch vier Tage, um dorthin zu kommen! Außerdem wird unser Proviant kaum für Hin- und Rückweg reichen, wenn wir uns nicht an den Marschplan halten.«
Lian schaute von dem frisch entfachten Feuer auf und versuchte, Donatos Gesichtsausdruck zu deuten. Warum war ausgerechnet er so erpicht darauf, dorthin zu gelangen? Selbst wenn der legendäre Schrein eine Waffe enthielte, würde der Comyn-Rat deren Gebrauch sofort verbieten. Wandirr war derjenige, für den die Expedition wichtig war, denn nur durch sie hatte er die Chance, seinen Namen unsterblich zu machen.
Der alte Wälsung seufzte: »Ich weiß … ich weiß … aber ich möchte die Gruppe trotzdem nicht aufteilen. Es lauern hier einfach zu viele unbekannte Gefahren! Laßt uns jetzt schlafen gehen. Morgen sieht alles schon ganz anders aus, und dann werden wir auch eine Lösung finden.«
Aber am anderen Morgen war Tony Righteous tot. Und die Zeit, die sie gehofft hatten einzusparen, verbrachten sie jetzt damit, ihn zu begraben.
Sie hatten den Ingenieur nur einige Schritte vom Lager entfernt am Boden ausgestreckt und mit dem Gesicht nach unten gefunden. Der Untergrund war dort viel zu rauh, um irgendwelche Spuren erkennen zu können, so daß Lian nicht wußte, ob ihm jemand aus dem Lager gefolgt war. Aber hätte er nicht um Hilfe rufen können? Es gab keine Anzeichen auf einen Kampf, nur Tonys Leiche, die wie eine ausrangierte Puppe dalag. War dies, ebenso wie der vorherige Sabotageakt, ein Versuch, sie vom Weitermarsch abzuhalten?
Oder war es die Tat von jemandem, der um jeden Preis sicherstellen wollte, daß sie ihr Ziel erreichten?
Für das nächste Unglück konnte niemand aus der Expedition verantwortlich gemacht werden. Sie erklommen gerade eine der Hügelketten und kämpften sich beharrlich durch die elenden Geröllfelder, angespornt von Deuus Versprechen, es seien jetzt nur noch zwei Tage bis zu dem Schrein – aber der Waldläufer hatte nicht mit jenem schrecklichen Wesen gerechnet, dessen schriller Schrei jetzt aus einer Felsspalte vor ihnen donnerte.
»Banshee!«
Der Name war ein einziger Schreckensruf, den Deuu ausstieß, als er zu den anderen zurückstürzte. Lian versuchte ihn abzufangen, als er an Wandirr vorbeirannte, berührte aber nur kurz seine drahtigen Muskeln, die sich unter dem weichen Fell verkrampften, bevor er sich auf einen Felsblock kauerte und verzweifelt klagte.
Hinter ihm brach eine riesige Kreatur zwischen Felsen hervor, deren Klauen viel schneller zuschlugen, als es einem Wesen dieser Größe eigentlich möglich sein sollte. Mit einem Sprung nach
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