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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Schneeflocken tänzelten bereits herab. Orain rappelte sich wieder auf, ging zu Mhari hinüber und führte sie am Halfter – wenigstens das hatten die Banditen ihm gelassen – zurück auf die Straße.
    Welchen Weg sollte er einschlagen? Er hatte diese ihm unbekannte Route nur gewählt, weil ihm im letzten Dorf, in dem er seine Waren verkauft hatte, einige freundliche Bewohner dazu geraten hatten; Gerüchte besagten, daß sein gewohnter Heimweg umkämpft und unsicher war. Zur linken führte der Weg zurück zum Dorf, das jetzt schon mehr als einen Tagesmarsch hinter ihm lag. Von der entgegengesetzten Richtung wußte er nur, daß er schließlich auf die Nord-Süd-Verbindung nach Nevarsin treffen würde. Auf dem Weg, den er gekommen war, hatte er keinen Unterstand entdecken können, und so setzte Orain seine Hoffnung darauf, er würde in der anderen Richtung bald auf einen solchen stoßen.
    Zum Glück hatten die Räuber die Innentaschen seines Mantels übersehen, so daß ihm Handschuhe und Mütze geblieben waren. Diese zog er jetzt im dichter werdenden Schneegestöber an. Der Wind fuhr ihm eisig ins Gesicht, so daß er seinen Schal über Mund und Nase hochzog, bis nur noch ein schmaler Sehschlitz frei blieb. Vornübergebeugt kämpfte er sich voran, während Mhari ihm schnaufend und keuchend hinterhertrottete.
    Der Wind wurde immer schneidender und ließ Augenbrauen und Wimpern vereisen. Mehr als einmal mußte Orain anhalten und seine Handschuhe ausziehen, um sich mit der bloßen Hand die Augenlider zu reiben. Er zitterte am ganzen Körper, seine Zähne klapperten, und auch die größte Willensanstrengung konnte das nicht verhindern.
    Schließlich kamen sie an eine Wegbiegung, hinter der es einen steilen Abhang hinunterging. Orain bemerkte die dunkle Bretterwand vor ihm erst im letzten Augenblick; um ein Haar wäre er voll dagegengeprallt. Nachdem er sich etwas von dem Schrecken erholt hatte, lief er um den Holzverschlag herum, bis er eine Tür fand. Als Riegel diente eine einfache Lederschlaufe um einen Holzpflock; nachdem er den Riemen gelöst hatte, stemmte er die Tür mit der Schulter auf und trat mit Mhari im Schlepptau ein.
    Als sich seine Augen endlich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er durch einige Risse in Wänden und Decke Licht einfallen sehen. Er befand sich in einer Scheune. Auf der einen Seite war ein großer Heuhaufen, auf der anderen gab es einige Pferdeboxen. Orain nahm die Geräusche schnarrender Hufe und den Stallgeruch von Pferden, Heu und Mist wahr.
    Er führte Mhari in eine der leerstehenden Boxen und zäumte sie dort fest. Mit etwas Stroh striegelte er ihr Fell, dann legte er ihr einen Ballen Heu als Futter vor. Nachdem er die Tür wieder geschlossen hatte, vergrub sich Orain im nächsten Heuhaufen. Schon bald hörte er auf zu frösteln und versank in tiefem Schlaf.
    Schlurfende Schritte weckten ihn, und er hörte eine männliche Stimme undeutlich brabbeln: »Sag mal, wo kommst du denn her? Guck mal an, das Pferdchen hat ja Hörner.«
    Orain wühlte sich noch rechtzeitig aus seinem Heulager heraus, um zu beobachten, wie ein junger Mann in zerlumpten Kleidern auf Mhari zuging. Das Chervine war an Fremde gewöhnt, und so soff es auch jetzt ungestört aus dem Wassertrog weiter, während der Mann ihm etwas unbeholfen den Kopf tätschelte. Jedesmal, wenn Mhari den Kopf hob, zuckte der Mann zusammen, da das Geweih seinem Gesicht gefährlich nah kam.
    Vorsichtig kroch Orain aus seinem Versteck hervor. Jeder knickende Strohhalm schien ihm einen Heidenlärm zu verursachen, aber der Mann bemerkte nichts, als Orain sich auf Zehenspitzen an ihn heranschlich. Er bekam ihn von hinten zu fassen und drückte ihm mit seinem starken Arm die Luft ab, bis dieser bewußtlos zu Boden sank. Mit ein paar Lederriemen, die er an einem Haken im Stall fand, fesselte Orain sein Opfer an Händen und Füßen und verband ihm schließlich noch mit einem Taschentuch den Mund. Als er einen Schritt zurücktrat, um das Gesicht des Mannes genauer zu betrachten, erkannte Orain in ihm einen der Banditen, die ihn ausgeraubt hatten.
    Er trat zur Tür. Draußen glänzte der frisch gefallene Schnee hell im Morgenlicht, und so mußte Orain kräftig blinzeln, um erkennen zu können, woher der Mann gekommen war. In einiger Entfernung stand ein halb verfallenes Steinhaus. Es war kein großes Gutsgebäude, sondern eher ein Haus, das einen der Herren aus dem niederen Adel hier einst für sich und seine Familie errichtet haben mochte.

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