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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Verschwand auf Nimmerwiedersehen in der großen weiten Welt. Hat ihrer Mutter damit das Herz gebrochen, jawohl, das hat sie!«
    Carilla schluckte mit Mühe die zornigen Worte herunter, die sie ihm am liebsten entgegengeschleudert hätte, ob er nun zurechnungsfähig war oder nicht. Schlagartig sprang sie auf und verabschiedete sich. »Ich muß jetzt gehen. Ranarl, bitte begleite mich!«
    »Dann geh doch, geh!« tobte der Alte und fuchtelte wirr umher. »Was kümmert’s mich! Um mich kümmert sich ja auch niemand, es sei denn, man will was von mir. Aber es gibt nichts mehr zu holen!« kicherte er blödsinnig.
    »Ich werde Euch nach draußen geleiten, Domna«, warf Ranarl rasch ein.
    Als sie außer Hörweite waren, sagte er: »Jetzt seht Ihr ja selbst, wie es um ihn bestellt ist.«
    »Er hat nicht mehr Sinn und Verstand als ein Kralmak! « verschaffte Carilla sich Luft.
    »Zeitweise ist er noch ganz klar im Kopf. Und dann wieder … ach, vielleicht ist es auch besser so.«
    »Ich verstehe nicht, warum du dir überhaupt die Mühe gemacht hast, mich kommen zu lassen«, erklärte Carilla jetzt sehr müde. »Hier kann ich doch nichts ausrichten. «
    »Das stimmt nicht ganz. Es gibt da noch etwas im Studierzimmer Eures Vaters, das ich Euch zeigen muß.«
    Und wieder bestürmten sie die Erinnerungen, als sie Ranarl in das staubige Zimmer mit den langen Reihen ledergebundener Bücher folgte. Wie oft hatte sie hier auf dem Schoß ihres Vaters gesessen, während er die Gutsgeschäfte führte. Und wie oft war sie an seiner Seite ausgeritten – er war so stolz auf ihre Reitkünste gewesen. Wie hatte sie das nur vergessen können? Mit einem plötzlichen Schuldgefühl wurde ihr erst jetzt bewußt, welch ungewöhnlich enges Verhältnis sie bis zu jenem unglückseligen Tag mit ihrem Vater gehabt hatte. Sie hatte so sehr auf seine Zuneigung gezählt, daß sie plötzliche Zurückweisung sie nur um so schmerzlicher traf. Und bis heute hatte sie all das verdrängt.
    Ranarl schloß eine Schublade im Schreibtisch ihres Vaters auf und entnahm daraus ein Kästchen mit Eisenbeschlägen. »Das gehört Euch.«
    Carilla erkannte das Schmuckkästchen ihrer Mutter sofort wieder. Sie öffnete es langsam und nahm ein mit Edelsteinen reich besetztes Halsband heraus. Auch daran erinnerte sie sich gut; ihre Mutter hatte es bei jeder festlichen Gelegenheit getragen. Carilla war überrascht, den gesamten Schmuck unangetastet vorzufinden; sie konnte sich kaum vorstellen, wie es ihnen gelungen war zu verhindern, daß er gestohlen oder versetzt wurde. Ganz zu unterst in dem Kästchen befand sich eine kleine Schriftrolle mit dem Siegel ihres Vaters, und daneben lag – zu ihrer großen Verwunderung – sein Siegelring.
    »Auch das ist für Euch«, meinte Ranarl.
    »Ich verstehe nicht.«
    »Lest das Schriftstück.«
    Carilla beugte sich über das vergilbte Pergament. Lesen war nie ihre Stärke gewesen, aber wenn es darauf ankam, konnte sie es mehr recht als schlecht. Mit dem Zeigefinger folgte sie jedem einzelnen der krakeligen Buchstaben, und sie begann langsam und laut vorzulesen.
    »Versteht Ihr jetzt?« fragte Ranarl.
    »Er hat mir Snow Haven hinterlassen, wenn ich es recht gelesen habe. Aber nein, ich verstehe es noch immer nicht.«
    »Es gibt sonst niemanden. Und ich glaube, er hat bereut, was vorgefallen war. Er hat dies niedergeschrieben, als er noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war. Schon damals versuchten Mara und ich, Euch ausfindig zu machen, aber wir wußten ja noch nicht einmal, ob Ihr noch am Leben wart.«
    »Und wie habt ihr mich gefunden?«
    »Eines Tages ging Mara hinunter ins Dorf, um bei einer Geburt zu helfen, und die Hebamme war zufällig eine Freie Amazone.« Etwas verlegen fuhr er fort: »Sie … sie trug die gleichen Kleider wie Ihr, und das Dorf hat sich noch tagelang darüber die Mäuler zerrissen. Aber Mara dachte sich, egal ob nun Amazone oder nicht, Hebammen kommen viel rum, und so hat sie nach Euch gefragt. Es dauerte dann noch eine ganze Weile, aber eines Tages hörten wir ein Gerücht, daß Ihr in Thendara lebt und wohlauf seid. Wir waren überglücklich!«
    »Aber wie konntet ihr annehmen, daß ich zurückkommen würde?«
    »Wir haben es einfach nur gehofft. Was hätte ich denn auch anderes tun können? Das Land gehört jedenfalls Euch, und so weit ich weiß gibt es keine anderen Verwandten, die darauf Anspruch erheben könnten.«
    Tausend Gedanken wirbelten Carilla durch den Kopf. Sie hatte sich oft gefragt, wohin

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