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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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lüsterner Unhold oder geziert kreischendes Geschöpf in Frauenkleidern!
    Seine Neugierde ließ ihm keine Ruhe, und so wandte er sich erneut an Rafael. »Darf ich fragen, wie lange du und dein … Freund schon zusammenlebt?«
    »Aber natürlich dürft Ihr das«, erwiderte Rafael mit einem unbekümmerten Achselzucken. »Es ist bestimmt kein Geheimnis mehr im Dorf, und da könnt Ihr es ebenso gut von mir selbst erfahren. Es ist mir sogar viel lieber so. Viel zu wenige machen sich die Mühe, uns persönlich zu fragen. Die meisten halten sich lieber an irgendwelche Halbwahrheiten, die sie irgendwo aufschnappen, als ob die Wahrheit allein nicht interessant genug wäre …« Rafael unterbrach seinen ungewohnten Redefluß und beugte sich ein letztes Mal über die Stickerei. So, das wäre geschafft, das Muster war fertig gestickt. Er band den Faden ab und hielt sein vollendetes Werk bewundernd im Lampenlicht hoch. Dann mußte er plötzlich selbst lachen.
    »Darrel wird sich zuerst mit Händen und Füßen sträuben, es vor anderen zu tragen! Viel zu vornehm, wird er sagen. Aber so redet er immer, und am Ende kriege ich ihn doch herum!« Rafael legte das Kleidungsstück sorgfältig zusammen und wickelte es in die Tierhaut, in der er es auch bisher verborgen gehalten hatte. Dann erinnerte er sich wieder an Erevans Frage.
    »Wir leben jetzt schon sechs Jahre zusammen, und die meiste Zeit wurde ziemlich viel darüber geredet. Selbst jetzt fällt noch das eine oder andere gehässige Wort, aber das trifft einen nur, wenn man dem allzu viel Beachtung schenkt.« Er staunte selbst über sich, daß er das jetzt so leichthin sagen konnte! Er hatte lange genug gebraucht, bis er über den Klatsch im Dorf stand und selber darüber so lachen konnte, wie Darrel es schon immer verstanden hatte. Er nahm das Bündel mit seinem Geschenk und versteckte es unter dem Bett. »So, da wird Darrel ganz bestimmt nicht nachschauen, schon aus lauter Angst, ich könnte ihn bitten, da unten gleich mal kräftig Staub zu wischen.« Und aus einer anderen Ecke holte er einen Korb mit weiteren Näharbeiten hervor. Anscheinend gab es immer etwas auszubessern, und da er schon einmal seine Nähsachen bereit hatte, konnte er es ebenso gut gleich erledigen. Er stopfte gerade an ihrem Kopfkissen, als er seinen Gedanken abschloß. »Ich möchte um nichts mit diesem Leben tauschen! Wir haben hier unser Glück gefunden. Was sind da schon ein paar böse Worte und Blicke?«
    Der Adlige konnte dem nur beipflichten. In diesem Haus herrschte ein bestärkender Friede, und auf eine merkwürdige Weise schien diese Atmosphäre auch Erevan zu ergreifen; hier spürte er Liebe, Geborgensein und innere Zufriedenheit. Wie anders war das in den großen Adelshäusern, wo Streit, Mißgunst und Angst wohnten!
    Erevan lehnte sich behaglich zurück. Eingehüllt in die Wärme des Feuers und des Hauses, schloß er schläfrig und gedankenvoll die Augen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er ganz in seinen Träumen versank …
    »Dom Erevan?« störte Rafael ihn behutsam. »Ich habe das Bett für Euch hergerichtet, wenn Ihr schlafen wollt.«
    Erevan richtete sich langsam auf und blinzelte müde. Als er sah, daß Rafael für sich selbst ein paar Decken auf dem Fußboden ausbreitete, wollte er widersprechen. »Ich möchte dich nicht aus deinem Bett vertreiben!«
    Aber Rafael wehrte bestimmt ab. »Das sind überhaupt keine Umstände. Heute nacht gehört mein Lager Euch. Schließlich seid Ihr mein Gast.« Er breitete eine weitere Decke aus und fügte belustigt hinzu. »Eine Zeit lang haben Darrel und ich zusammen mit meiner alten Großmutter gewohnt. Glaubt Ihr etwa, wir hätten sie auf dem Fußboden schlafen lassen?« Aus einer Truhe holte er eine letzte Decke; wie gut, daß er sie in diesem Sommer gewebt hatte! Aber in den kältesten Nächten schienen alle Decken unter dem Dach nicht auszureichen; wie dankbar war er dann, daß er sich an Darrels Seite einkuscheln und wärmen konnte! Aber davon erwähnte er jetzt natürlich nichts, sondern achtete nur darauf, daß sein Besucher es gemütlich hatte. Dann blies er die Lampe aus und hüllte sich selbst in die Decken am Boden. Morgen war Mittwinter-Abend! Bei diesem Sturm konnte Darrel es unmöglich vor Einbruch der Dunkelheit schaffen, nach Hause zu kommen. Aber ihnen blieb ja noch immer das Fest am nächsten Tag. Und es blieb das Geschenk. Der Gedanke daran wärmte Rafael und ließ ihn schnell einschlafen.
     
    Am nächsten Morgen wachte Rafael

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