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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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wieder seinen Näharbeiten zu. Er war heute abend gut vorangekommen; jetzt fehlten nur noch einige wenige Reihen, die er unbedingt zu Ende bringen wollte. Da sein Besucher sein wichtigstes Geheimnis nun schon einmal kannte, würde es sicherlich nichts schaden, auch diese geringfügige Heimlichkeit zu beenden. Er zog das Hemd hervor, legte es auf seinen Schoß, fädelte den Faden ein und machte sich wieder an die Arbeit.
    Wie zur Entschuldigung lächelte er, als Erevan ihn neugierig und verdutzt musterte. Aber der Adlige erwiderte das Lächeln gutmütig und beobachtete, wie Rafael das Muster dort wieder aufnahm, wo er unterbrochen worden war. Geschickt und flink setzte er Stich auf Stich.
    »Das wird wohl ein Geschenk für … ihn?«
    Rafael war keineswegs erstaunt, daß Erevan dies gleich richtig vermutete. »Jawohl, zum Mittwinterfest. Ich bin fast fertig damit.«
    »Und wo ist er jetzt?«
    »Er arbeitet auf dem Gut von Armida. Er ist sehr geschickt im Umgang mit Pferden.«
    Diese Äußerung weckte Erevans Neugierde. Er kannte die meisten Diener im Haushalt seines Cousins und fragte sich, ob er dem Mann schon einmal begegnet war. Aber dann wechselte er rasch das Thema. Es gehörte sich wirklich nicht, seinen Gastgeber noch weiter auszufragen, und vielleicht würde der Name ja später noch fallen. Statt dessen bewunderte er das komplizierte Muster, das Rafael gerade auf eine der Manschetten stickte.
    »Das ist eine wunderbare Arbeit. Meine Schwester könnte es nicht besser.«
    Rafe verbeugte sich halb scherzhaft bei dem etwas unbeholfenen Kompliment. »Meine Großmutter hat es mir beigebracht, als ich noch klein war. Sie hat immer betont, wie nützlich es sei und daß ich damit sogar eines Tages mein Geld verdienen könnte. Aber Schneider wollte ich dann doch nicht werden«, meinte Rafe lachend. »Und dann hat sie mir auch immer gesagt, ›Paß gefälligst auf, Junge, wenn ich dir was beibringe! Was würdest du zum Beispiel anfangen, wenn du unterwegs bist und dir deine einzige Hose zerreißt?‹ Worauf ich immer geantwortet habe, daß ich dann meinen Hintern möglichst nah ans Feuer halten würde.«
    Erevan quittierte das mit einem herzhaften Lachen, wodurch auch Rafael etwas weniger verlegen lächelte. »Jedenfalls habe ich seither immer wieder zu Nadel und Faden gegriffen und habe es bis heute nicht bereut.«
    Der Lord nickte verständnisvoll, und beide schwiegen eine Zeit lang, während Rafael sich an die letzten beiden Reihen seiner Stickerei machte. Erevan ließ sich eine zweite Portion Suppe schmecken und starrte dann gedankenverloren in die Flammen des Herdfeuers. Auch er hatte seine Geheimnisse, die er aber nie so ohne weiteres preisgeben würde wie sein Gastgeber es zu tun schien. Er mußte wieder an den Diener in Armida denken und fragte sich verwundert, was wohl Rafaels Liebhaber dazu sagen würde, daß sein Bredu ihr Verhältnis so bereitwillig ausplauderte.
    Was gäbest du darum, wenn du das auch könntest? Mit einem Lächeln so von dir zu reden! ging es ihm durch den Kopf. Er hatte seinen Gastgeber nicht gerade belogen, als er ihm sagte, er wolle seine Verwandten zum Mittwinterfest besuchen. Aber es war auch nicht die ganze Wahrheit. Denn bei dieser Gelegenheit sollte er auch seine zukünftige Verlobte treffen, eine entfernte Cousine, die er durchaus schätzte. Doch nie hätte er den einen Gedanken, der ihn am meisten bewegte, ausgesprochen – daß er nämlich der bevorstehenden Heirat alles andere als glücklich entgegensah. Gabriella war eine wunderbare Frau; Erevan wollte das gar nicht bestreiten. Aber gerade deshalb verdiente sie einen Mann, der sie um ihrer selbst willen lieben und glücklich machen konnte und ihr die Kinder schenkte, die sie sich immer gewünscht hatte. Erevan wußte, daß er dieser Mann nicht sein konnte. Und würde er diese Rolle des liebenden Ehemanns spielen, dann immer nur mit dem bedrückenden Gefühl, ein Schauspieler in einem schlechten Stück zu sein, verborgen hinter einer mühsam aufrechterhaltenen Maske. Und würde die Maske zum Schluß fallen, wie verletzt müßte Gabriella sich dann fühlen …
    Erevan verstand nur zu gut, warum sein Gastgeber auf seine Frage hin gezögert und jene Worte vermieden hatte. Auch er konnte es nie ertragen, sich selbst mit eben jenen Worten zu beschreiben: einer, der Männer liebt, ein Ombredin. Und doch saß ihm jetzt genau einer dieser Männer gegenüber. Ein ganz normaler, liebenswerter Mann und bestimmt kein Monstrum, kein

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