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Das Wüten der ganzen Welt

Das Wüten der ganzen Welt

Titel: Das Wüten der ganzen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maarten 't Hart
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ich ihm sagen könnte, daß er zu Hause erwartet wird.«
    »Warum gehen Sie dann nicht hinein, junger Botschafter?«
    »Ich dachte, daß er vielleicht doch gleich nach draußen...«
    »Wer einmal da drinnen ist, kommt nicht so schnell wieder heraus, Jeremia 5, Vers 7. Kommt mit hinein, dann könnt Ihr Euren Vater aus diesem Pfuhl des Verderbens retten!«
    Im selben Augenblick ging eine magere Frau an uns vorbei. Sie war auffallend dünn, trug eine zerschlissene Jacke, warf uns einen vernichtenden Blick zu.
    »Ach, eine Dirne«, sagte das Männlein, »Sprüche 23, Vers 27.«
    Wir betraten hinter ihr das Café De Moriaan. Es war darin so dunkel, daß es einen Augenblick dauerte, ehe ich den Billardtisch wahrnahm. Niemand lief um ihn herum.
    Die magere Frau setzte sich auf einen Barhocker, öffnete den obersten Knopf ihrer Jacke, wollte danach auch den Knopf darunter öffnen, aber ein Mann, der schon an der Bar saß, hinderte sie daran und sagte: »Laß das, laß deine Jacke lieber zu, sonst rollen noch deine großen Titten raus.«
    Das Männlein mit der gestreiften Hose trat an die Bar und streckte dem Cafebesitzer, der die Blume eines vollen Bierglases abstrich, einladend seine Hand hin. Der Cafébesitzer drückte die ausgestreckte Hand, sagte dann: »Gottverdammich, was für ein schlaffes Händchen, genau wie fünf abgebrannte Streichhölzer.«
    »Im Namen der sieben Geister, die vor Seinem Thron stehen, bringe ich hier das Evangelium«, sagte das Männlein frohgemut.
    »Danach haben wir nun gerade gelechzt«, sagte der Cafébesitzer.
    Das Männlein streckte dem Mann, der die Dirne davon abgehalten hatte, ihre Jacke aufzuknöpfen, seine Hand hin. Der Mann schüttelte ausgiebig die Hand des Evangelisten, sagte dann zu dem Cafébesitzer: »Ja, Bram, du hast recht, was für ein schlaffes, klammes Händchen, es fühlt sich an wie die Rückseite einer Briefmarke.«
    »Was willst du trinken?« fragte Bram das Männlein.
    »Ich bin für die Frohe Botschaft hier«, sagte das Männlein.
    »Die schenken wir hier nicht aus«, sagte der Cafebesitzer.
    »Soll ich dir mal was erzählen«, sagte ein Mann, der ein Stück weiter unten an der Theke saß. »Als ich hierherzog, konnte ich meinen Sohn nicht auf der öffentlichen Schule unterbringen, da war kein Platz mehr, da hab ich ihn also aus Not hier in eine christliche Schule gegeben. Nach drei Wochen hatte das Kind furchtbare Alpträume. Weißt du, wovon? Von diesen Bibelgeschichten, die es jeden Tag hörte. Nichts als Mord und Totschlag und sprechende Esel. Eines Tages kommt das Kind völlig durcheinander nach Hause und kann nur noch herausbringen, daß die Erde sich spalten wird. Hat er doch, kam später heraus, von einem Koram oder Koran oder irgendsowas gehört und noch von zwei von diesen Salamandern...«
    »Korach, Dathan und Abiram«, sagte das Männlein. »Numeri 16, die Verse 1 bis 50.«
    »Genau«, sagte der Mann, »das waren sie, na, dann brauch ich dir ja nichts mehr zu erzählen, dann weißt du selbst, daß diese armen Luder mit ihren Frauen und all ihren Kindern und mit ihrem ganzen Sack und Pack von der Erde verschlungen wurden. Mein Sohn hat die ganze Woche gelegen und phantasiert, er war todkrank, ich mußte ihn dann von der Schule nehmen. Also, für die armen Teufel, die von Haus aus an all die schrecklichen Geschichten gewöhnt sind, ist es nicht mehr so schlimm, die sind abgehärtet, die wissen schon, mit wie vielen Körnchen, ja Pfunden Salz sie all diese Greuel nehmen müssen, aber für meinen Sohn war das anders, der glaubte wirklich daran, für das Kind waren sie Wirklichkeit. Also, wehe deinen Knochen, wenn du es dir hier in deinen Dickschädel setzt, von der Bibel anzufangen.« »Ich bin hier...«, sagte das Männlein. »Du bist hier gar nichts«, sagte der Mann, »du kannst von mir aus einen Schnaps mittrinken, wenn du nur deinen Mund hältst, und sonst hat der Zimmermann da ein Loch gelassen, ich will nichts, verstehst du das, nichts von dieser unheimlichen Bibel hören, mein Sohn ist immer noch ganz hinüber; neulich fing er wieder an zu schwitzen wegen irgendwelcher Amelekieten, die sie zu Hunderten auf einmal über die Klinge hatten springen lassen.«
    »Dann geh ich mal wieder«, sagte das Männlein kläglich. Er ging zur Tür, wandte sich noch einmal um und sagte mit erhobener Stimme: »Johannes 3, Vers 16.«
    »Mußt du nicht mit deinem alten Pa mitgehen?« fragte mich der Cafebesitzer.
    »Das war nicht mein Vater«; sagte ich.
    »Was willst du

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