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Das Wüten der ganzen Welt

Das Wüten der ganzen Welt

Titel: Das Wüten der ganzen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maarten 't Hart
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das fragte, machte er eine Vierteldrehung. Er blies seine rechte Wange auf und ließ die Luft mit einem Faustschlag entweichen. Er nahm mich bei den Schultern, sah mir geradewegs in die Augen und sagte dann triumphierend, während ich noch lange nicht antworten konnte: »Ja, hast du.«
    Er ließ mich los und wiederholte zweimal laut: »Hast du.« Es klang wie das Zischen eines Dampfkessels. Dann sagte er: »Aber nun sind wir ein Stück weiter, nun bekommt das Ganze Konturen. So, so, also du auch... wer hätte das nun jemals von unserem eigenen Arend gedacht... Also, du bist nicht der einzige, er hat alles in allem eine hübsche Summe Kleingeld verteilt an einen ganzen Schwung gassies hier.«
    Wieder nahm er mich bei den Schultern. Er sah mir in die Augen, fragte barsch: »Hast du auch von anderen Männern Kleingeld angeboten bekommen?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Wirklich nicht?«
    »Nein.«
    »Ich will dir mal was unter vier Augen sagen: Außer unserem Arend gibt es hier, soweit wir wissen, noch drei Männer, die links und rechts Kleingeld, Groschen und Quartjes an kleine Jungens austeilen. Und hier und da noch so ein paar Muschelchen. Möglich wäre es, daß einer dieser Kerle... aus Eifersucht... oder wegen was weiß ich, woher soll ich wissen, was die Kerle treibt, die solche Dinge ausfressen... In jedem Fall suche ich so ein bißchen in dieser Ecke. Es kann sehr wohl stimmen, daß es so wahr ist wie das Amen in der Kirche und du von niemandem sonst jemals Kleingeld angenommen hast, aber warum dann Muschelchen von Arend und nie von anderen Kunden seines Schlags...? Es kann kaum Zufall sein, daß Arend abgeknallt wird, als er zu Besuch ist bei einem seiner... ja, wie soll ich das nun sagen, bei einem seiner Augäpfelchen, einem seiner Poposchätzchen. Dann meint man doch gleich, daß so ein Poposchätzchen vielleicht auch bei and eren Knilchen aus dem Schüsselchen aß und daß es vielleicht Spannungen zwischen Arend und einem dieser anderen Kumpane wegen des Poposchätzchens gab.«
    Er rieb sich ausdauernd die Hände. Er blies die linke Wange auf, schlug mit der Faust auf die rechte Seite seines Gesichts. Auch das tat seine Wirkung. Es war, als würde er rülpsen. Auf dem Waterweg fuhr ein kleines Schiff mit einem knallroten Licht auf der Spitze des Mastes vorbei. Ich folgte dem Schiff mit den Augen, und Graswinckel sagte: »Punkt eins: Der Mann kann kein Unbekannter gewesen sein, denn außer dir hat niemand an diesem Samstagnachmittag hier einen fremden Kauz gesehen. Punkt zwei: Der Mann schießt Arend in einem Augenblick tot, den nicht einmal der größte Trottel für einen Mord aussuchen würde. Da muß dann doch ein sehr, sehr wichtiger Grund vorgelegen haben. Und was für ein anderer Grund kann das nun sein, als daß dieser Mann es gründlich satt hatte, weil Arend zu seinem Poposchätzchen hineinging? Punkt drei:...was war noch Punkt drei? Das einzige, was ich überhaupt nicht verstehe, ist, daß Arend sagte: ›Was tun Sie hier?‹ Oder sollte Arend das gar nicht gesagt haben? Denkst du dir das aus, um... nein, nein, so durchtrieben kannst du doch nicht sein... es ist zum Verrücktwerden... Nun sag mir ma l, hast du wirklich nie von anderen Männern Muschelbelohnungen angenommen? Und wie kommt es dann, daß du dir dennoch von Arend hast Kleingeld in die Hand drücken lassen?«
    Während das Wasser träge dahinplätscherte, erzählte ich von meinem Angelplätzchen in der »Gärtnerei«, über die Besuche von Vroombout, und auf dem Fluß wendete das kleine Schiff mit dem roten Licht oben am Mast - es ist verrückt, daß ich mich daran so gut erinnere, während ich kaum noch weiß, was ich dachte oder fühlte, als Graswinckel mich Augäpfelchen und Poposchätzchen nannte und mir unterstellte, daß auch ich Kontakte zu anderen Männern hatte, ich, der ich damals noch kaum wußte, daß solche Dinge existierten. Vielleicht dachte ich oder fühlte ich dort an dem breiten, wogenden Fluß überha upt nichts, weil es mir größtenteils entging, worauf Graswinckel abzielte. Ich erinnere mich nur, daß ich einfach dastand und den Fluß roch und ab und an zitterte und, völlig verstört, dennoch so gut wie möglich versuchte, auf die Fragen zu antworten, die Graswinckel weiterhin stellte. Was ich damals als selbstverständlich empfand, ist mir heute ein Rätsel: Daß Graswinckel mich nicht auf der Polizeiwache verhörte, sondern immer mit mir an den Fluß ging. Glaubte er vielleicht, daß ein solches unübliches Verhör

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