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Das Wüten der ganzen Welt

Das Wüten der ganzen Welt

Titel: Das Wüten der ganzen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maarten 't Hart
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vorbeigepoltert war. Im Hoofd war es totenstill, alles schien dort wie ausgestorben. Ich konnte mich nicht entschließen, schon nach Hause zu gehen. Ich stieß ein Steinchen vor mich hin und lief ganz nah am Kaderand des Außenhafens entlang zum Veerhoofd. Bei meiner Klavierlehrerin brannte noch Licht. »Sie sind beide auf die eine oder andere Weise daran beteiligt«, murmelte ich verbittert dem plätschernden Wasser zu. Der Mond legte tröstend einen schrägen Lichtstreifen darauf, der bis ans Ufer von Rozenburg reichte.
    Über dem Fluß funkelte ein einsames grünes Licht, das an einem fast unsichtbaren Duckdalben befestigt war. Der salzige Geruch des Wassers munterte mich auf. Durch die Dutoitstraat und die Joubertstraat lief ich zur President Steynstraat zurück. In fast jedem Haus gab es bereits einen Fernseher. Überall flackerten ungerührt die schwarzweißen Bilder.
    Sobald ich in die Haustür trat, sagte meine Mutter: »So, nun können wir allmählich ins Bett.«
    »Du hast es ganz schön spät werden lassen«, sagte mein Vater, »ich verstehe nicht, daß du Spaß daran hast, einen ganzen Abend mutterseelenallein da zu spielen, ich hoffe nur, daß du nicht ein geistiger Eigenbrötler wirst, es würde mir gar nicht schlecht gefallen, wenn du Lust auf ein hittepetitje kriegen würdest.«
    Er trommelte mit seinen Knöcheln auf der Stuhllehne herum, sagte: »Ach, wenn wir doch nur noch in Rotterdam wohnten. Dann könntest du dir ein ›erneuertes‹ hittepetitje zulegen!« 

William
     
    Erst nach dem Besuch von Douvetrap und meinem Abstecher in den Seitenspeicher wurde mir klar, wieviel meine Klavierlehrerin und Minderhout mir bedeuteten. Mit ihrer Hilfe würde es mir vielleicht gelingen, aus dieser Welt auszubrechen, in der ein Junge wie ich ein gassie hieß, eine Welt, in der mein Vater hoffte, daß ich »Lust auf ein ›erneuertes‹ hittepetitje bekommen« würde, eine Welt, in der ein Klavierstück »ein Liedchen« genannt wurde. Aber sie, ausgerechnet sie hatten etwas - aber was eigentlich? - mit dem zu tun, was sich während der Kreuzzugskampagne hinter meinem Rücken abgespielt hatte. Sie konnten mir, fand ich, nicht mehr gerade in die Augen sehen, aber sie benahmen sich, als ob überhaupt nichts passiert sei. Daher war ich nun derjenige, der ihnen nicht mehr gerade in die Augen blicken konnte. Monatelang ging ich mit schwerem Herzen zur Klavierstunde. Schwerer noch fiel mir der Gang zum Flügel von Minderhout. Spielte ich dort, war mir bewußt, daß möglicherweise schräg über meinem Kopf drei Beweisstücke hingen.
    Oft schien es, als sei das Klavier selbst beschmutzt worden. Ich nutzte daher jede Gelegenheit, auf der Orgel der Zuiderkerk zu spielen. Sehr bald wußte ich, wie man mit den Füßen die Pedale bedient. Dafür mußte man besondere Schlappen anziehen, und man glitt von einer Pedaltaste zur nächsten. Man spielte abwechselnd mit Hacke und Zehen - die Hacke vor allem auf den weißen Pedaltasten, die Zehen auf den schwarzen Pedaltasten. Mit den Pedalen zauberte man die tiefsten Baßstimmen aus der Orgel, und es waren vor allem diese Baßtöne, mit denen ich meinen Katzenjammer hinwegspielen konnte. Doch wäre ich wahrscheinlich monatelang in Trübsinn versunken, hätte ich mein Elend nicht mit William teilen können. Unerwartet erschien er an einem Sommerabend in der President Steynstraat.
    »Wäre es nicht schön, einmal zusammen zu spielen?« sagte er. »Ich bin zwar noch nicht soweit auf der Querflöte wie du auf dem Klavier, aber vielleicht könnten wir doch Händel oder Blavet versuchen. Hättest du Lust dazu?«
    »Oh, das hätte ich schon«, sagte ich, »aber wo? Hier geht es nicht, mein Klavier ist bloß Brennholz. Und bei dir geht es nur, wenn deine Mutter nicht da ist. Ich werde bei euch nicht nur so zu meinem Vergnügen spielen, wenn sie in der Nähe ist. Dann hätte ich das Gefühl, daß sie immer mithört.«
    »Ich würde auch nicht bei meinem Lehrer zu Hause spielen können, wenn er dabei wäre«, sagte er, »aber meine Mutter ist schon manchmal weg, also...«
    »Wir könnten auch in der Zuiderkerk spielen«, sagte ich, »Orgel und Querflöte klingen wunderbar zusammen. Außerdem hat man da Register, mit denen man aus der Orgel fast ein Cembalo machen kann.«
    »Also, gehen wir«, sagte er.
    »Können wir machen«, sagte ich, »aber ob es jetzt geht...? Oft übt dort abends der Organist der Kirche.«
    »Warum sollen wir es nicht versuchen?« sagte er. »Holen wir eben bei mir zu

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