Das Wunder der Liebe
begann, das Geschirr abzuwaschen. Sie hatte durch Keegan etwas Wichtiges für ihr Leben gelernt. Sie hatte begriffen, dass sie sich bereits zu lange auf der Schattenseite aufgehalten und sich vor dem Leben versteckt hatte. Sie hatte ihre Behinderung als Ausrede benutzt, um andere Menschen zu meiden, um nicht Gefahr zu laufen, noch einmal verletzt zu werden.
Und dann hatte Wren einen Menschen getroffen, dessen Ängste und Leiden noch größer waren als ihre eigenen. Ein Mann, der eine schwere Bürde trug. Ein Mann, der so viel durchgemacht hatte, dass er niemanden an sich heranließ, so groß seine Sehnsucht nach Kontakt auch sein mochte.
Ohne es zu wollen, hatte Keegan ihr einen Spiegel vorgehalten und ihr erlaub t, einen Blick auf ihr Schicksal zu werfen. Wenn sie auch weiterhin so schüchtern und verschlossen blieb, würde sie irgendwann genauso werden wie er. Verbittert und einsam.
Sie sollte dem Himmel dafür danken, dass er vor ihrer Tür gestanden hatte. Er hatte ihr eine wichtige Nachricht gebracht: Fang wieder an zu leben. Fang wieder an, auf andere zuzugehen.
Hör auf, dich ständig nur um dich selbst und deine eigenen Sorgen zu drehen.
Seit sie für ihn sorgte, hatte Wrens Sichtweise sich geändert, und sie war froh darüber. Es war höchste Zeit, die Liebe wieder in ihr Leben zu lassen. Wahrscheinlich nicht die von Keegan Winslow. Aber sie würde schon jemanden finden. Sie war ihm unendlich dankbar für das Geschenk, das er ihr zu Weihnachten gemacht hatte.
“Und jetzt die zweiundzwanzig-Uhr-Nachrichten”, drang die Stimme des Radiosprechers in ihre Gedanken, nachdem die letzten Klänge eines fröhlichen Weihnachtsliedes verebbt waren.
Wren fuhr mit dem Spültuch über den Teller und hörte nur nebenbei zu. Sie wusste bereits, dass er wieder über Weihnachten sprechen würde. Und sie hatte keine Lust, darauf hingewiesen zu werden, dass sie weder Freunde, noch Familie, Ehemann oder Kinder hatte, mit denen sie Weihnachten verbringen konnte.
“Wir haben an diesem Heiligen Abend leider auch eine sehr unerfreuliche Nachricht für Sie”, verkündete der Sprecher.
Was ist wohl passiert, dachte Wren sarkastisch. Hatte eines von Santa Claus’ Rentieren einen Schnupfen bekommen?
“Wir haben einen Polizeibericht erhalten, in dem mitgeteilt wird, dass ein entlaufener Sträfling in der Gegend von Stephenville gesehen worden ist.”
Wren horchte auf. Was?
“Heller flüchtete bereits im Juni dieses Jahres aus dem Joliet Gefängnis. Trotz einer großen Polizeiaktion konnte der Flüchtling in den letzten sechs Monaten nicht gefasst werden.
Heller war zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden, weil er das Haus eines bekannten Polizeibeamten angezündet hatte. Die Frau und die kleine Tochter des Polizisten waren in diesem Feuer umgekommen. Sie hatten keine Chance zu entkommen, weil Heller sie zuvor gefesselt hatte. Heller hatte das Feuer aus Rache gelegt, weil der Polizist Hellers Bruder bei einer Drogenrazzia aus Notwehr erschossen hatte.”
Nein! rief Wren innerlich, während ihr Magen sich zusammenzog. Sie erinnerte sich an ihre Panik, als Keegan Winslow plötzlich vor ihrer Haustür erschienen war. Sie hatte Angst vor ihm gehabt.
“Heller ist 35 Jahre alt, l Meter 87 groß und ungefähr 100
Kilo schwer.”
Wren überlegte und ballte die Hände zu Fäusten. Keegan war ungefähr so groß, aber er wog höchsten 85 Kilo. Nun, die restlichen Kilo konnte er in den letzten sechs Monaten leicht verloren haben.
Trotzdem, ihre innere Stimme widersprach ihren Überlegungen. Keegan hatte bestimmt niemals 100 Kilo gewogen.
“Connor hat ein besonders Merkmal”, fuhr der Sprecher fort.
“Als er das Feuer legte, hat er selbst Verbrennungen am Nacken und auf der Schulter erlitten.”
Diese Information traf sie wie ein Schlag in den Magen.
Wren sank auf einen Stuhl, als ihr die Bedeutung dieser furchtbaren Nachricht bewusst wurde.
“Nein”, wimmerte sie. “Das kann nicht sein.” Aber so sehr sie auch alles verleugnen wollte, sie konnte die Tatsachen einfach nicht verdrängen. Wren konnte die Wahrheit nicht leugnen, die ihr hässlich ins Gesicht starrte. Keegan Winslow musste der gesuchte Connor Heller sein, und so dumm wie sie war, hatte sie ihm seine Magnum zurückgegeben!
Keegan lag noch angezogen auf dem Bett. Er hatte das Radio eingeschaltet und versuchte, sein inneres Chaos in den Griff zu bekommen, während er auf den Wetterbericht wartete. Wenn i nicht erneut Eisregen und zu viel
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