Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition)
sie, einfach ins kalte Wasser zu springen und Willa etwas zu fragen, was sie unbedingt wissen wollte. »Wenn wir schon beim Wollen sind – mein Bruder ist letzte Nacht nicht nach Hause gekommen. Weißt du am Ende mehr darüber?«
Willa wandte den Blick ab. »Er könnte auf meiner Couch übernachtet haben.«
»Warum läufst du rot an?«
Als Willa sie wieder ansah, funkelten ihre Augen schelmisch. »Ich könnte mit ihm geschlafen haben.«
»Ich wusste es!«
Sie lachten, und plötzlich hatte Paxton das Gefühl, dass sie sich mit Willa hervorragend verstand. Sie hatte immer gedacht, dass es ihr schwerfiel, Freundschaften zu schließen. Aber vielleicht versuchte sie ständig nur, sich mit den falschen Leuten anzufreunden.
Noch lange nachdem ihr Kaffee kalt geworden war, saßen sie beisammen und redeten.
Etliche Stunden später machte sich Willa auf den Weg zu ihrer Großmutter, und Paxton stieg in ihr Auto. Sofort nahm sie die Liste aus ihrer Umhängetasche und las sie noch einmal durch.
Paxton Osgoods zukünftiger Ehemann wird
– freundlich sein,
– witzig sein,
– großherzig sein,
– kochen können,
– gut küssen können,
– gut riechen,
– mich immer überraschen,
– mit mir streiten und mich manchmal gewinnen lassen, aber nicht immer,
– geheimnisvoll sein,
– mich immer lieben, egal, wie ich aussehe.
– Mama wird er nicht gefallen, und deshalb werde ich ihn umso inniger lieben.
Sie erinnerte sich daran, wie sie den Zettel verloren hatte und tagelang in Panik geraten war bei der Frage, wo er wohl steckte. Damals hatte sie befürchtet, irgendein lächerlicher Knabe wie dieser Robbie Roberts hätte ihn gefunden und würde sie damit aufziehen. Aber bald hatte sie die Liste vergessen, weil sie zu den vielen Dingen gehörte, die sie im Lauf der Zeit hinter sich gelassen hatte.
Was ist aus diesem jungen Mädchen geworden?, fragte sich Paxton. Es kam ihr vor, als würde sie das alte Foto ihrer Großmutter betrachten und sich fragen, was aus dem jungen Mädchen darauf geworden war. Colin meinte, sie sei die Einzige in ihrer Gruppe, die sich nicht verändert habe. Aber sie hatte sich verändert, und nicht zum Besseren.
Das Mädchen von einst hätte die Frau, die sie heute war, nicht gebilligt. Das Mädchen war immer davon ausgegangen, dass es in dem Alter, in dem sie sich jetzt befand, glücklich sein würde. So glücklich wie das Mädchen einst. Was war geschehen?
Sie saß lange da und starrte mit leerem Blick in die Ferne, die Liste auf dem Schoß. Plötzlich klingelte ihr Handy.
Es war ihre Mutter. Wahrscheinlich wollte sie wissen, warum sie noch nicht zu Hause war, um ein letztes Mal ihr Kleid für die Gala anzuprobieren.
Seufzend steckte sie das Handy und den Zettel in ihre Umhängetasche und fuhr los.
Zurück zu dem Leben, wie sie es kannte.
FÜNFZEHN
Das Wagnis
A m Montag gönnte sich Paxton nicht einmal eine Mittagspause, weil sie früher Schluss machen wollte. Papierkram, der unterschrieben werden wollte, stapelte sich auf ihrem Schreibtisch, und vor der Gala am Freitagabend mussten noch Unmengen kleiner Details erledigt werden. Aber es gab einfach Dinge, die wichtiger waren.
Sie fuhr zur Immobilienagentur Harris & Associates Realty in der Nähe des Biomarkts. Kirsty Lemon saß im Büro und telefonierte. Nachdem sie aufgelegt hatte, trat Paxton zu ihr.
»Paxton!«, rief Kirsty erstaunt. »Was machst du denn hier?«
»Ich habe gesehen, dass das Haus an der Teal Street noch nicht verkauft ist.«
»Stimmt, es ist noch zu haben«, sagte Kirsty vorsichtig.
»Ich möchte es kaufen.«
Kirsty musterte sie misstrauisch. Damit hatte Paxton nicht gerechnet. »Bist du dir diesmal sicher?«
»Ja.«
Seufzend nahm Kirsty ihre Schlüssel. »Na gut, schauen wir es uns an«, sagte sie mit der Begeisterung von jemandem, der sich auf den Weg zu einer Darmspiegelung macht.
Sie fuhren in Kirstys Minivan. Paxton konnte sich nicht daran erinnern, wann sie zum letzten Mal gemeinsam in einem Auto gesessen hatten. Vielleicht in der Highschool, als Kirsty samstags immer den uralten Range Rover ihres Vaters ausgeliehen hatte und sie gemeinsam nach Asheville fuhren. Sie stellte fest, dass sie es vermisste, mit Kirsty in einem Auto zu sitzen und über alles Mögliche zu plaudern, wie sie es in ihrer Jugend getan hatten.
Das Haus lag in Waterview, einem Viertel, in dem es viel Grün gab, einen Platz mit einem Pavillon und einem Springbrunnen. Die Häuser aus rotem Backstein waren im Kolonialstil
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