Das Wunder von Grauenfels (German Edition)
BeGin, leitete die entsprechende Abteilung.
Als Gina anrief, meldete sich sofort ihre lebhafte, helle Stimme und begann gleich wie ein Wasserfall Auskunft zu geben.
»Was wir zurzeit an laufenden Preisausschreiben haben? Also wart mal, eine Küchenfirma: Da kannst du ’ne Luxusküche für zehntausend Mark gewinnen! Und drei oder vier Sachen mit Autos – bis zur Spitzenklasse … Nicht? … Eine Reise? Lass mal sehen: Kreuzfahrt auf dem Nil – das ist ’ne Kaufhauskette. Verbunden mit ’ner Meinungsumfrage über die Läden … Rundreise durch Japan von einem Bettenhaus in München. Nobel, nobel – wahrscheinlich hoffen sie auf Rückenschmerzen im Anschluss an zwei Wochen Futon … Dann können sie den Typen wieder ein Bett verkaufen … Aber hier, Frau im Glück – schlichtes Kreuzworträtsel, vomSchwierigkeitsgrad etwa so: Ohne Flei kein Prei – Ergänzen Sie diesen Satz! Zwei Wochen Fünf-Sterne-Hotel in Jamaika. Oh Mann, da hätt ich auch Lust drauf! Wozu willst du das eigentlich wissen?«
Gina erklärte ihr die Lage in vorsichtigen Worten.
»Legal ist das aber nicht«, bemerkte Chrissie.
Gina seufzte. »Hat auch keiner behauptet. Aber mal so ganz grundsätzlich: War das möglich? Oder nehmt ihr das ernst mit Gewinner-Ermittlung ›unter notarieller Aufsicht‹?« Gina öffnete gedankenverloren eine Packung Kartoffelchips.
»Ach Gott, unser Notar … Der kommt schon mal vorbei. Aber weißt du, wir wickeln zehn, zwanzig Gewinnspiele in der Woche ab. Da ist der nicht jedes Mal dabei, wenn wir ziehen. Ich tu die Briefe auch nicht immer in ’ne Trommel oder so, nur wenn der Kunde da Fotos wünscht oder selber ziehen will. Meistens nehm ich einfach drei Karten von dem Stapel, guck drauf, ob’s richtig gelöst ist, und das war’s dann. Du wirst im Übrigen nicht glauben, wie viele Fehler selbst noch bei der Ergänzung von Sätzen wie ›Mehr Grips durch FinoChips‹ gemacht werden!«
»Sei vorsichtig, in Sachen Glauben bin ich neuerdings eine Art Sachverständige.« Gina lachte. »Also sag schon: Kannst du was machen? Es wäre ein gutes Werk. Eine Art ›Wunder‹. Du hast dann auch was gut bei mir!«
»Einen doppelt gesegneten Rosenkranz?« Chrissie kicherte. »Wir sind alle umgefallen, als wir von eurem neuen Job da unten in Dunkeldeutschland gehört haben. Du musst mir irgendwann erzählen, was dahinter steckt.«
Eine Stunde später fand Sybille Clarsen ein Exemplar der Zeitschrift Frau im Glück auf ihrem Schreibtisch. Gina hatte das Kreuzworträtsel bereits halb gelöst. Zum Lösungswort fehlte nur noch ein Buchstabe.
»Jetzt koche ich uns erst mal einen Kaffee«, erklärte Gina.
»Nein, nein, nicht gleich den Computer anwerfen. Entspannen Sie sich! Ach, gucken Sie doch mal, ob Sie das Kreuzworträtsel gelöst bekommen.«
Sybille Clarsen rutschte unsicher auf ihrem Bürostuhl herum, während Gina Kaffee kochte. Untätigkeit lag ihr nicht. Schließlich griff sie nach der Zeitschrift.
»Ungebunden? – Frei!«, konstatierte Sybille und trug ihre Lösung erfreut in die Kästchen. »Gebogen? – Fünf Buchstaben. Hm. Krumm! Und Hauptstadt der Vereinigten Staaten? Das ist New York, nicht? Nein, das passt nicht, mit W. Wash… Washington! Ist fertig, Frau Landruh. Das Lösungswort heißt ›Wunderkind‹. Wollen Sie es ausfüllen und abschicken?« Sybille griff eifrig nach einer Schere, um den Coupon auszuschneiden.
»Nein, lassen Sie mal, ich darf nicht«, log Gina. »Weil ich doch Medienreferentin bin. Wenn man gewerblich mit solchen Sachen wie Werbung und Journalismus zu tun hat, darf man da nicht mitmachen.«
»So?«, fragte Sybille jetzt fast lebhaft. »Das ist ja mal schade. Es gibt sagenhafte Preise. Eine Reise – und eine Einbauküche! Das wär’s doch. Meine alte Küche …«
Gina verdrehte die Augen.
»Warum schicken Sie es nicht ein, Frau Clarsen?«, gab Berit Hilfestellung. »Für Sekretärinnen gilt das nicht. Und wer weiß, vielleicht haben Sie ja mal Glück.«
»Tja, wenn ich darf …« Sybille griff nach einer Postkarte und Kleber.
Gina stellte ihr den Kaffee auf den Tisch und machte zu Berit das Sieg-Zeichen. Sybille Clarsen war auf dem besten Weg zu ihrem Wunder.
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Fishing for compliments
R uben Lennart traf schon am frühen Nachmittag, deutlich vor seinem Termin mit Berit, in Grauenfels ein. In den Tagen zuvor hatte er seine Hausaufgaben gemacht und das Thema Marienerscheinung im Internet gründlich recherchiert. Das Interessanteste dabei erschien ihm eine Liste der
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