Das Wunder von Grauenfels (German Edition)
Mädchen vor. »Das war noch DDR, als ich geboren wurde. Hinterher hießen dann ja alle Anna oder Sophie. Wollen Sie jetzt eigentlich was kaufen?«
Ruben hob entsetzt die Arme und schlug die Augen gen Himmel. »Herr, lass diese Kelche an mir vorübergehen! Kann ich stattdessen nicht einfach was spenden? Zweckgebunden für die Selbstverteidigungsgruppe?«
Mandy grinste, »Sie sind ein komischer Pilger. Was machen Sie hier in Grauenfels?«
»Ich bin Jesuit. Vertreter der heiligen Inquisition, mein richtiger Name lautet Tomás de Torquemada. Aber das erzähle ich jetzt nur dir, ich bin sozusagen inkognito hier, um die Erscheinungen zu untersuchen. Was hältst du zum Beispiel von der Sache?«
Mandy runzelte die Stirn. »Das meinen Sie jetzt nicht im Ernst! Ich tippe da mehr auf Reporter.«
Ruhen lachte. »Ertappt. Dann nimm das hier mal als Aufwandsentschädigung für ein Interview.« Er zückte einen Fünfzigmarkschein.
»Ich denke, das ist eine Spende?«, bemerkte Mandy mit einem intensiven Blick auf die Geldbörse.
Ruben griff seufzend noch mal in die Tasche. »Für den Computer. Und nun mal ehrlich. Glaubst du an diese Erscheinungen?«
Mandy zuckte die Schultern. »Also ich halt da nichts von. Aber ich bin auch nicht so christlich angehaucht. Ich tendier mehr in Richtung Wicca.«
Ruben durchforstete kurz sein Gehirn. »Das ist dieser Hexenkult, nicht?«
Mandy schnaubte. »Das ist der Glaube an das Prinzip der Göttin als Personifizierung des natürlichen Kreislaufs von Werden und Vergehen«, dozierte sie. »Eingeweihte Frauen verfügten von jeher über Kenntnisse im Bereich der Naturmedizin, die ihnen leider oft den Ruf einer ›Hexe‹ eintrugen. Purer Unsinn natürlich.«
»Aber in diese Frauengeschichte müsste euch die Jungfrau doch ganz gut reinpassen«, provozierte Ruhen sie weiter. »Sagt ihr nicht so was wie ›Alle Göttinnen sind eine Göttin‹ … und diese Quelle – ich dachte, ihr benutzt so was zum Wahrsagen?«
» Nebel von Avalon gelesen, was?« Mandy grinste. »Alsoerst mal wäre diese Maria nicht die Jungfrau, sondern die Mutter. Wo Kind, da Defloration. Spätestens bei der Geburt, kann Ihnen jeder Arzt bestätigen. Und wenn Sie aus der Pampe, die Claudia und Sophie da aus dem Boden gekratzt haben, irgendwas anderes ablesen als die Namen der beteiligten Bakterienarten, sind Sie wirklich übersinnlich begabt. Jetzt ist es ja verrohrt, aber den Siff hätten Sie mal sehen sollen! Die Voraussagen waren ja auch entsprechend. Fishing for compliments und Fischen im Trüben …«
»Fishing for compliments?« , fragte Ruben.
»Na, die ständige Aufforderung zum Beten! Meine Güte, die Frau hat ja ’ne Profilneurose! Also wenn ich die Göttin wäre und die Leute würden nicht freiwillig beten, dann würd ich mich mal fragen, was ich falsch mache und nicht rumfliegen und Drohungen verbreiten!«
Ruben lachte schallend.
»Und die angeblichen Voraussagen!« Mandy war jetzt in Fahrt. »›Eine Zeit voller Verbrechen und Gewalt liegt vor euch‹ – und daraus schließen nun alle, Claudia hätte diese Geiselnahme in Frankfurt vorausgesagt und diese Entführung in München, mal abgesehen von dem Mist im Nahen Osten. Als wenn so was nicht jede Woche vorkäme! – Traurig, aber wahr. Soll ich Ihnen mal sagen, was ’ne richtige Vorhersage wäre? Das ginge: Liebe Claudia, ruf schnell das FBI in Texas an, unter folgender Nummer, in Dallas wird nämlich gerade ein Mädchen namens Suzy Miller entführt. Die Kerle bringen sie in ein Lagerhaus Ecke 63ste und 48ste Straße, und wenn die Bullen da vor dreiundzwanzig Uhr ankommen, dann können sie verhindern, dass sie vergewaltigt und erdrosselt wird. Wenn sie so was rausließe, das wär ein Knüller. Aber so? Vergessen Sie’s; Möchten Sie wirklich keinen dieser formschönen Pötte?« Mandy erinnerte sich an ihre wahre Aufgabe.
»Höchstens, wenn du mir einen netten Wicca-Liebestrankeinfüllst«, lächelte Ruhen. »Ich habe nachher nämlich noch eine Verabredung mit einer sehr attraktiven Dame.«
»Für die Rezepte fehlt mir ja leider noch der Computer«, frotzelte Mandy hinterhältig. »Ansonsten will ich aber auch eher Chemie studieren, nach der Schule. Das erscheint mir sicherer als die ganze Hexenkunst. Und was Ihre Freundin angeht: Kaufen Sie ihr eine Rose, da fahren wir alle drauf ab!«
Ruben bedankte sich amüsiert für Gespräch und Ratschlag. Grauenfels hatte wirklich nichts Spirituelles, dachte er, als er weiterschlenderte. Hier sind sogar die
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