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Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Titel: Das Wunder von Grauenfels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktoria Benjamin
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mädchenhaft braven Eindruck wieder zunichte.
    »Meine Mutter macht mich rasend«, jammerte sie, als sie endlich mit Berit und Sophie allein war. Gina war es gelungen, Frau Martens zur Quelle zu schicken, um den Blumenschmuck und die Ausstellung der Votivgaben zu kontrollieren. Letztere wuchs inzwischen fast stündlich an. Frau Hinzwegen hatte sie begründet, indem sie ihre inzwischen nicht mehr benötigten Krücken neben der Quelle deponierte, undein paar andere geheilte Pilger hatten Dankesbriefe, Kerzen und Heiligenbildchen beigesteuert. Ruben lästerte, hier fehlten nur noch die überschüssigen Teile von Elfis Nase. Sie hätte ihren Schönheitschirurgen nötigen müssen, sie ausstellungsfreundlich in Formalin einzulegen.
    »Alle fünf Minuten soll ich beten oder in mich gehen oder so was. Die lässt mich nicht in Ruhe. An der Quelle bin ich nicht mal zum Vokabellernen gekommen, garantiert habe ich heute den Test versiebt! Was machen wir da bloß, Berit? Wenn das so weitergeht, steig ich aus, das halt ich nicht durch!«
    »Du glaubst doch nicht, sie lässt dich aussteigen?«, fragte Sophie, während Berit nach einer Aspirin-Tablette tastete. »Sie würde dich am nächsten Erscheinungstag an den Haaren zur Quelle zerren. Kann man sie nicht irgendwie beschäftigen? Ich meine, hier muss doch eine Menge zu tun sein – das mit dem Blumenschmuck war schon mal ’ne geile Idee.«
    »Wir lassen uns was einfallen.« Berit seufzte. »Aber es wäre trotzdem schön, wenn ihr in den nächsten Stunden bitte mal ausnahmsweise auf den unsachgemäßen Gebrauch des Wortes ›geil‹ verzichten würdet! Auch ›cool‹ und ›krass‹ würde ich im Gespräch mit der Kirchenkommission auf ein Minimum beschränken. Habt ihr Bernie das mit dem Pokémon ausgeredet?«
    Sophie zuckte die Schultern. »Ich hab’s versucht. Am besten klappt das ja immer mit Ablenkung. Er hat drei neue Gebete gelernt, und dann hab ich mir gestern den halben Nachmittag damit um die Ohren geschlagen, ihm Blumennamen beizubringen. – Wenn’s dich also tröstet, Claudi – ich hab den Test auch versiebt! Jedenfalls dürfte er jetzt ganz stolz von den Rosen erzählen, die mit auf den Heiligenbildchen waren. Mit etwas Glück vergisst er die Schlange.«
    »Gut. Dann lasst uns die Liste noch mal durchgehen.
    Also: Erstens müsst ihr euch als ›geistig gesund und ehrlich und gehorsam gegenüber kirchlichen Autoritäten‹ erweisen.«
    »Das hat Frau Wahl uns doch bestätigt, nicht?«, fragte Sophie.
    Berit nickte. »Jedenfalls die geistige Gesundheit. Der Knackpunkt ist die Angelegenheit mit den kirchlichen Autoritäten. Pfarrer Herberger fand euch sicher nicht so gehorsam.«
    »Also werden wir gleich ganz lieb sein – oh Mann, hoffentlich muss ich nicht lachen. Was ist überhaupt eine kirchliche Autorität?«
    Berit schlug die Augen gen Himmel. »Ich würd mal sagen, jeder Mann, der eine Kutte trägt. Versucht es einfach mit engelhaftem Lächeln … Punkt zwei: ›Der Inhalt von bei Erscheinungen empfangenen Botschaften muss theologisch akzeptabel sein und frei von moralischen Irrtümern‹«, las sie vor. »Da ist sehr wichtig. Versucht, euch auf den Originaltext zu konzentrieren, und lasst keine wilden Interpretationen los.«
    Die Mädchen nickten.
    Berit warf einen weiteren Blick auf ihre Notizen. »›Die Erscheinung muss andauernde spirituelle Früchte bringen: Bekehrungen, Wachstum des Gebetslebens und der Wohltätigkeit am Ort der Erscheinung.‹ Daran soll’s nun auch nicht liegen. Gebetet wurde in Grauenfels wahrscheinlich noch nie so viel wie heute.«
    »Und als ›Bekehrung‹ geht zumindest Claudias Mami durch.« Sophie kicherte.
    »Vielen Dank«, quetschte Claudia durch die Zähne. »Vielleicht opferst du dich auch mal und erklärst, du wolltest gleich, wenn du vierzehn wirst, bei Herberger eintreten? Vielleicht taufen sie dich auch sofort, wenn deine Eltern einverstanden sind.«
    Sophie zuckte gelassen die Schultern. »Von mir aus. Am Samstagnachmittag bin ich sowieso in Tatenbeck in der Ballettschule. Da kann ich hinterher auch noch die Messe bei Herberger absitzen. An die Singerei bin ich schon derart gewöhnt– ohne falsches ›Ave‹ als Hintergrund kann ich Vokabeln gar nicht mehr aufnehmen …«
    »Das finde ich eine sehr bedenkenswerte Initiative«, erklärte Berit erfreut. »Solange man das mit der Beichte nicht allzu ernst nimmt … Herberger würde jedes Mal ein inquisitorisches Verfahren daraus machen, das ist dir doch klar, Sophie,

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