Das Wunder von Grauenfels (German Edition)
ihre Tests ausgefüllt, und ich werde sie gleich auswerten, wie ich schon sagte. Also kein Grund zur Aufregung – mal abgesehen davon, dass auch Psychologen der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen. Was von meinen Ergebnissen bekannt wird, bestimmen nur Sie.« Frau Wahl sprach beruhigend auf Frau Martens ein.
Claudia war weniger geduldig.
»Nun komm, Mama, mach nicht solchen Wind – wenn ich nicht ganz dicht wäre, hättest du das doch wohl als Erste bemerkt. Jetzt gehen wir erst mal rauf ins Wäldchen, und du meditierst ein bisschen, ja? Noch besser meditierst du zu Hause, und ich geh allein ins Wäldchen – deine, äh, Schwingungen irritieren mich immer ein bisschen, ich brauche jetzt eher etwas Abstand.«
»Kind – ich –«
»Wir gehen dann jedenfalls mal. Bis nachher!« Claudia winkte Berit und Ruben zu und spedierte ihre lamentierende Mutter aus dem Büro.
Berit atmete hörbar auf.
»Ich hab noch Hausaufgaben zu machen«, sagte Sophie, verabschiedete sich und huschte ins Freie. Ihr schien Frau Martens’ Auftritt fast so peinlich zu sein wie Claudia.
»Ich dachte, die Eltern der Kinder würden diese Erscheinungssache nicht unterstützen«, sagte Frau Wahl irritiert, als die Mädchen gegangen waren.
»Bis gestern dachte ich das auch.« Berit seufzte. Die drei gingen ins BeGin- Büro. »Aber dann ist Frau Martens wohl irgendwie erleuchtet worden. Und was sie macht, macht sie richtig, das muss man ihr lassen. Jedenfalls hat sie mich die ganze Zeit genervt, während Sie mit den Mädchen gearbeitet haben. Vielen Dank übrigens, Herr Lennart, für die Unterstützung in der letzten halben Stunde.«
Ruben grinste. »Dafür hab ich jetzt was gut bei Ihnen. Erzählen Sie mir etwas über die Jungfrau!«
Berit plierte ihn unter dem notdürftig geglätteten Pony an. »Oh, da gibt’s nicht viel zu erzählen. Vorname Maria, oder wohl eher Miriam, aber das kann ja keiner aussprechen. Eltern Joachim und Anna, Letztere Spätgebärende, das Kind dürfte entsprechend verwöhnt gewesen sein. Wurde dann einem jungen Mann namens Josef anverlobt, Letzterer aus sehr gutem Hause, dem so genannten Stamm Davids. Hatte dann aber eine sehr, äh, befruchtende Begegnung mit einem gewissen Gabriel, der anschließend auch Josef überzeugend klar machte, das zu erwartende Kind sei göttlichen Ursprungs.«
»Sind wir das nicht alle?«, fragte Frau Wahl. Sie hatte sich an Ginas Schreibtisch gesetzt und den ersten Testbogen, den die Mädchen ausgefüllt hatten, zur Hand genommen.
»Eben. Das Baby war jedenfalls ein Junge, und –«
»Ich dachte eher an Hintergrundinformationen«, unterbrach Ruben sie belustigt. »Was führt die Dame nach Grauenfels, noch dazu zweitausend Jahre nach ihrem Tod?«
Berit zuckte die Achseln. »Vielleicht war’s ihr in Lourdes zu laut?«
Frau Wahl kicherte.
»Nein, im Ernst, Frau Mohn! Wer hat sich die Story ausgedacht?« Ruben ließ nicht locker.
»Jemand namens Lukas, wenn ich mich nicht irre. Und ein gewisser Jakobus hat da wohl auch mitgemischt.« Unschuldigrührte Berit in ihrer Tasse. Der Kaffee war aber längst nicht mehr heiß.
Frau Wahl lachte. »Sagen Sie – Ihre Unterhaltung ist ja ganz kurzweilig, aber können Sie nicht trotzdem woanders weiterflirten? Sonst werde ich nie fertig mit dieser Auswertung, und dabei steht diese Frau Martens garantiert in einer halben Stunde wieder auf der Matte.«
»Das ist ein Argument! Kommen Sie, gehen wir zu Lohmeiers und trinken einen Prosecco. Mache ich zwar gewöhnlich nicht während der Arbeitszeit, aber diese Martens hat mich geschafft!« Berit griff nach ihrer Handtasche. Ruben folgte ihr hinaus.
In dem gut besuchten Gartencafé trafen sie Annika, Rubens Bekanntschaft vom letzten Sonntag. Das Dickerchen saß wieder mal vor einem gut gefüllten Kuchenteller, in angeregter Unterhaltung mit Peter Lohmeier. Erfreut stand sie auf, als sie Rubens ansichtig wurde.
»Herr Lennart! Sie sind auch wieder da! Gehen Sie gleich zur Quelle? Also ich muss da unbedingt noch hin, ’ne Kerze anzünden. Hat Elfi drauf bestanden. Sie ahnen ja nicht, wie dankbar sie ist! Sie kommt übrigens nächste Woche nach Hause, Montag wollen sie die Verbände abnehmen, dann müsste man schon einen Eindruck davon kriegen, wie sie aussehen wird, wenn alles ganz verheilt ist.«
Berit schaute irritiert von einem zum anderen.
»Miriam hat Annikas Freundin Elfi gerade eine neue Nase verehrt«, erklärte Ruben todernst. »Und Ihren eigenen Fürbitten scheint sie doch auch brav
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