Das Wunder von Grauenfels (German Edition)
schummeln! Und es wär nett, wenn die Kleine von hier wär!« Das Telefonat wurde beendet.
Ruben grinste. Sah aus nach Nummer einundsiebzig in der Liste der erfolgreich vermittelten arbeitslosen Jugendlichen.
Igor Barhaupt rannte etwas konfus mit einem Stapel Papier durch die Gegend. Ruben nahm er nicht wahr. »Kann mir hier irgendjemand sagen, wo die aktuelle Wasseranalyse hingekommen ist? Dieser Herberger hat uns schon wieder das Ordnungsamt auf den Hals gehetzt wegen angeblicher Mikroben im Quellwasser.« Er ging ins Büro von Sybille Clarsen, in dem sich Gina niedergelassen hatte, und stapfte vor dem Schreibtisch auf und ab. »Bei dem Kerl fühle ich mich langsam an die Stasi erinnert. Dabei ist die Brühe eins a – wir hoffen auf die Heilwasserqualifizierung. Geben Sie aber bitte noch mal an die Presse, dass die Leute unbedingt hundertprozentig gereinigte Gefäße zum Abfüllen verwenden müssen, wenn sie das Zeug trinken wollen! Das Wasser kommt hier sauber aus der Erde, aber wenn sie es natürlich in alte Kanister füllen und die dann drei Stunden im brüllheißen Auto transportieren, dann müssen sie sich nicht wundern … Oder sollten wir es chloren? Finden Sie doch mal heraus, ob das in Lourdes oder Fátima gechlort wird! – Haben Sie übrigens irgendwas von Frau Clarsen gehört? Die sollte doch heute wiederkommen, oder?«
»Also anfangen wird sie wohl kaum vor Montag, wenn sie heute erst aus Jamaika kommt. Ich bin gespannt, wie’s war. Hat sie Ihnen wenigstens mal ’ne Karte geschickt?«, fragte Gina.
»Kein Lebenszeichen seit zwei Wochen. Aber das kann natürlichauch an der Post liegen. Jamaika ist ja doch ganz schön weit weg. Ich hab hier noch drei Sachen für die Pressemitteilung: Das Erste ist die Meldung von Doktor Hoffmann. Letzte Woche dreiundvierzig angebliche Heilungen. Alles Leute von auswärts, er kann da nicht viel zu sagen, aber für die Statistik. Und das Zweite betrifft dieses Konzert, das die Martens unbedingt Samstag an der Quelle inszenieren will. Das muss dringend rechtzeitig an die Lokalpresse, damit die Anwohner sich drauf einstellen können. Ist doch schönes Wetter, da können sie auswärts was unternehmen … ich glaub, ich fahr mal persönlich bei denen vorbei, die am häufigsten Anzeigen wegen ruhestörenden Lärms machen …«
»Klappern Sie vorher die Lokale ab, die ein bisschen außerhalb liegen. Die sollen ein paar Gutscheine für ein Abendessen zu zweit rausgeben«, riet Gina. »Die können Sie dann verteilen. Sagen Sie den Gastronomen, sie sollten es unter ›Gute Taten‹ verbuchen. Das werden sie verstehen, ich meine, jeder hat den Chor schon mal gehört …«
»Ich geb denen auch ’ne Spendenquittung …«, meinte Barhaupt und wollte das Büro eilig verlassen. Erst als er Ruben beinahe über den Haufen gerannt hätte, stoppte er. »Tag, Herr Lennart! Auch mal wieder im Lande? Ich dachte, Sie wären in Borunji.«
Ruben sah an dem Bürgermeister vorbei und registrierte ein offenes Lächeln. Gina schien sich zu freuen, ihn zu sehen. Also keine Schuldgefühle wegen einer inszenierten Erscheinung? Oder fühlten die Frauen sich nur sehr sicher?
»Was hat der schwarze Kontinent an Wundern zu bieten, verglichen mit diesem zauberhaften Ort?«, fragte Ruben den Bürgermeister grinsend. Täuschte er sich, oder glitt bei der Bemerkung »zauberhaft« ein Schatten über Ginas Gesicht? Wenn ja, dann fing sie sich jedoch blitzschnell wieder.
»Sie wollen zu Berit, hab ich Recht? Sie telefoniert seit drei Stunden mit irgend so einem Konzertmanager …«
»Wegen Ihres Chores?«, fragte Ruben. »Also wenn der in etwa so schaurig ist wie das Gejaule beim letzten Mal, können Sie da kaum Eintritt für nehmen …«
Gina lachte. »Nein, Frau Martens’ Goldkehlchen singen ehrenamtlich. Obwohl – in gewissen Kreisen soll man so was mögen. Kennen Sie die CD ›Katzen singen Weihnachtslieder‹? Verkauft sich auch. Aber bei Berit geht’s um was anderes, sieht aus, als wollte uns irgend so eine Folkband beehren … Wie gesagt, gehen Sie einfach rein.«
Ruben ließ sich das nicht noch einmal sagen. Um Berit beim Telefonieren nicht zu stören, öffnete er leise die Tür zum BeGin -Büro und hob beim Eintreten winkend die Hand. Befriedigt registrierte er das Aufleuchten in Berits Augen, als sie ihn erkannte.
Die junge Frau lächelte ihm stumm zu. Sie wirkte nach dem halben Tag in ihrem brutheißen Büro allerdings nicht mehr so frisch wie ihre Freundin. Tatsächlich standen
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