Das Wunder von Grauenfels (German Edition)
Schweißperlen auf ihrer Stirn, und ihr dunkler Pony hing etwas kraftlos in Strähnen herunter. Auch Berits Stimme klang ein wenig genervt.
»Ja, natürlich können Sie Ihre eigenen Sicherheitskräfte mitbringen. Wir haben zwar auch jedes Mal Polizei und freiwillige Feuerwehr und all das da an den Erscheinungstagen, aber ich sehe natürlich ein, dass Ihre Leute … Die Andacht dürfen sie uns allerdings nicht stören! Die Pilger kommen nicht dorthin, um die Murphy Family zu sehen, sondern um einem, äh, spirituellen Event beizuwohnen … Nein, es geht auch nicht, dass Ihr Bus bis rauf auf die Erscheinungsstätte fährt, der Zufahrtsweg muss für Krankenwagen und so weiter frei bleiben. Aber … vielleicht ließe sich am Steinbruch was machen. Ich tue, was ich kann – nein, versprechen kann ich das nicht! Aber zum Kuckuck noch mal – das sind doch alles junge Leute! Die werden doch einen Kilometer zu Fuß gehen können …«
Während Berit, hektisch ihren Pony knetend, weiter mit ihrem schwierigen Gegenüber verhandelte, sah Ruben sich unauffällig in dem unordentlichen Raum um. Er entdeckte Broschüren und Texte über Grauenfels – auch aktuelle Tourismusinformationen aus Lourdes und Fátima, aber keine Beweise für irgendwelche Manipulationen. Der Computer an Ginas Schreibtisch war ausgeschaltet. Wenn er da mal hätte hineinschauen können … Aber wenn die hier etwas zu verbergen hatten, war es garantiert gründlich gesichert.
»Ruben!« Berit hatte endlich aufgelegt und begrüßte ihn vergnügt. »Das erste erfreuliche Ereignis heute! Warum hast du mich nie angemailt? Ich hab mir fast schon Sorgen um dich gemacht, da in diesem komischen Borunji.«
Die herzliche Begrüßung ermutigte Ruben, sie statt Händedrucks auf die Wange zu küssen. »Nicht zu Unrecht!«, bemerkte er dann. »Da ging’s buchstäblich zu wie im Urwald! Der erste Putschist hat alle Telefonleitungen gekappt, weil es angeblich den Göttern nicht genehm wäre, wenn Borunji auf magische Weise mit dem Rest der Welt verbunden wäre. Aber du sitzt doch neuerdings an einer himmlischen Informationsquelle. Was sagt die Madonna? Noch ein Putsch in Borunji, oder bleibt’s jetzt friedlich?«
»Das tangiert sie, glaub ich, nicht so. Außerdem wollte ich es gar nicht wissen. Wer weiß, welche Bilder von Ruben in den Armen ebenholzschwarzer Medienreferentinnen ich da heraufbeschworen hätte?«
»Eifersüchtig? Das lässt sich gut an! Hör zu, ich würd dich gern in irgendeinen dieser reizenden Biergärten entführen, die hier ja offensichtlich wie Pilze aus dem Boden schießen. Kannst du dich loseisen?«
Berit schaute skeptisch auf die Uhr. »Ich hab nachher ein Treffen mit den Mädchen. Muss denen das mit der Murphy Family verklickern.« Sie zögerte. Dann erklärte sie ausführlicher als nötig: »Sophie wird wahrscheinlich in Ohnmacht fallen.Sie ist völlig verrückt nach der Band. Mir ein totales Rätsel. An sich sehen sie alle aus, als wären sie einem Trödler vom Laster gefallen. Aber angeblich sind es echte irische Trinker. Wahnsinnig katholisch natürlich, und ganz wild auf unsere Madonna. Sie wollen an der Quelle beten und der Erscheinung beiwohnen – dafür lassen sie sich auch herab, ein »Ave Maria« oder so was zu singen. Wenn wir einen ordentlichen Chor hätten, dürfte der mitmachen. Die Typen von der Musikagentur schneiden die musikalischen Ergüsse ohnehin mit, vielleicht wär’s ja was für ’ne CD. Insofern müssen wir nett sein. Aber Ansprüche stellen die, als käme der Papst persönlich.«
Endlich hatte sie Luft geholt, und Ruben ergriff erneut das Wort. »Umso dringender musst du dich davon erholen«, behauptete Ruben. »Los, keine Widerrede mehr, hier kriegt man ja einen Hitzschlag.«
Kurz darauf lotste er Berit geschickt an den auf dem Flur wartenden Leuten vorbei und atmete auf, als sie nach draußen traten. Auch hier war es schwül, aber wenigstens wehte ab und zu ein Lüftchen durch die Gassen.
»Gibt bestimmt noch ein Gewitter heute. Hoffentlich nicht genau während der Prozession«, meinte Berit. »Der Weg ist immer noch nicht hundertprozentig befestigt. Ich hab immer Angst, dass sich da mal irgendeiner das Bein bricht. – Gehen wir zu Lohmeier? Da ist es immer noch am nettesten.«
Das Café im Innenhof war brechend voll, aber Berit wurde bevorzugt bedient. Die junge Kellnerin führte sie gleich an einen etwas abseits im Schatten eines Walnussbaums gelegenen Tisch. Anscheinend hatte das Bürgermeisteramt hier
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