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Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Titel: Das Wunder von Grauenfels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktoria Benjamin
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man so etwas verifizierte. Vorerst wanderte er weiter und traf am Prozessionstreffpunkt – einem Wartehäuschen im Steinbruch, wo sich eben eine Gruppe Pilger formierte – eine weitere Bekannte. Die schlanke Gestalt im Ordenskleid der Franziskanerinnen half gerade einer älteren Frau in einen Rollstuhl.
    »Schwester Felicitas!«, rief Ruben verwundert. »Sie hätte ich hier als Letzte erwartet! Ihr Orden ist doch nicht ernsthaft engagiert, oder? Ich dachte, der Bischof hätte Grauenfels mehr oder weniger unter Kirchenbann gestellt!«
    Schwester Maria Felicitas hob den Kopf und errötete. »Ich, äh, habe Urlaub«, erklärte sie. »Oh, bitte, machen Sie umHimmels willen kein Foto für Ihre Zeitung von mir … Die Oberin würde …«
    »Also eine weitere heimliche Aktion!«, konstatierte Ruben mit gespielter Strenge. »Schwester, Schwester … Ich weiß ja nicht … Aber im Ernst, was treibt Sie dazu, hier Ihren Urlaub zu verbringen? Beim letzten Mal haben Sie mir schließlich noch versichert, dass Sie die ganze Geschichte hier für einen gigantischen Beschi… äh, Bluff halten.«
    Die Nonne schüttelte abwehrend den Kopf und wies mit dem Kinn vielsagend auf ihren gehbehinderten Schützling, dem sie eben ein Kissen in den Rücken schob.
    »Nicht hier vor den Pilgern …«, bat sie. »Wir können nachher reden … So, sitzen Sie jetzt bequem, Frau Balthasar? Dann darf ich Sie einem unserer fleißigen jungen Helfer von Wir tun was! überlassen! Ja, doch, ich bin nach der Prozession wieder für Sie da, und wir halten auch am Abend noch eine kleine Dankandacht. Ja, genau hier. Schaffen Sie das mit der Kerze?«
    Die alte Dame litt offensichtlich unter Parkinson. Als sie glücklich mit einer laternenartigen Konstruktion versorgt war, die etwas mehr Sicherheit bot als eine Wachskerze, zog sie mit ihrem Helfer unter Dankesworten ab. Ruben duckte sich, als er Frau Martens an der Spitze der Prozession erkannte. Die Grundschullehrerin sammelte routiniert ihre Schäfchen ein und intonierte ein Marienlied, während sich die Gruppe in Bewegung setzte.
    »Wurden die Prozessionen früher nicht von den Seherkindern angeführt?«, fragte Ruben.
    Felicitas zuckte die Achseln. »Was sollen die denn noch alles machen? Die Mädchen sind wirklich engagiert, aber allein die vielen Fernsehauftritte kosten schon zu viel Zeit. Besonders Sophie beschwert sich, weil sie nicht mehr zum Tanzen kommt. Na ja, und dann hat Frau Martens das eben übernommen. Macht daraus so eine Art Mischung zwischen Sightseeingund Andacht. Furchtbar, wenn Sie mich fragen, aber die Pilger sind ganz begeistert.« Schwester Maria Felicitas kannte sich inzwischen offenbar bestens aus in Grauenfelser Verhältnissen. »So, jetzt habe ich Zeit. Die nächste Gruppe kommt erst in einer Stunde. Mögen Sie einen Eistee?«
    Schwester Felicitas und eine etwas anders gewandete Mitschwester zogen sich an einen im Schatten gelegenen Klapptisch zurück und öffneten eine Kühlbox. Ruben nahm die Erfrischung dankend an.
    »Also, warum haben Sie Ihre Meinung geändert? Waren Sie bei der besagten Massenerscheinung dabei? Hat die Madonna Sie überzeugt?«, fragte Ruben.
    Schwester Felicitas schüttelte den Kopf. »Sagen wir mal so. Ich glaube nach wie vor nicht, dass die Madonna hier erscheint. Aber … Meine Güte, sehen Sie sich das doch an! Die Menschen sind so begeistert von dieser Maria, die sie hier präsentiert bekommen. Endlich werden wieder Menschen angesprochen und bekehrt, auch solche, die sich schon frustriert von der Kirche abgewandt hatten! Endlich werden wieder Fragen beantwortet! Ich verstehe nicht, wie der Bischof das ignorieren kann.«
    Ruben runzelte die Stirn. »Aber … wenn Sie das alles hier im Grunde für getürkt halten – warum glauben Sie dann andererseits, dass die Mädchen wirklich den Willen der Jungfrau verkünden?« Ruben blickte die verzückt lächelnde Nonne verständnislos an.
    »Meinen Sie im Ernst, irgendetwas hier geschähe gegen den Willen der Jungfrau?«, fragte Felicitas mit strahlenden Augen. »Oh nein, ich glaube, hier ist jemand Ton in des Schöpfers Hand, ohne es zu wissen! Eine Frau, wenn Sie mich fragen. Diese Verkündigungen schreibt eine Frau.«
    »Wie kommen Sie darauf?«, fragte Ruben und dachte an Berit. Ob Schwester Felicitas da mal irgendetwas mitbekommen hatte?
    »Weil sie tiefes Verständnis in das Wesen Marias zeigt. Maria, wie sie wirklich war – Mensch, das war doch keine notorische Jasagerin, nur weil sie einmal ›Siehe, ich

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