Das Wunder von Grauenfels (German Edition)
der Arbeit ab, auf den wirke ich befruchtend«, behauptete Gina. Jetzt kicherte sogar Sophie.
Berit nahm das als gutes Zeichen und begann, den Plan zum Empfang der Murphy Family mit den Mädchen durchzugehen.
»Also, sie kommen mit ihrem Tourbus, und ich hab mit den Sicherheitskräften ausgemacht, dass sie oben im Steinbruch parken dürfen. Die Zwei-Uhr-Prozession muss deshalb entfallen, aber da wären eh nicht viele mitgegangen, wenn um drei MM kommt. Dann bieten wir ihnen eine hübsche Erscheinung …«
»Mit dem öden Text über die Priesterehe?«, fragte Claudia. »Ich kann ihn schon auswendig, aber ich find ihn ein bisschen langweilig.«
Berit schüttelte den Kopf. »Nein, ich schreib euch was Neues. Es ist nämlich so, dass … also die Murphys haben sich selbst was gewünscht. Sie wollen wissen, wie MM, äh, zur Homosexualität steht …«
*
Ruben hatte seine Recherchen inzwischen bei Pfarrer Herberger und Pastor Jaeger fortgesetzt. Vor allem von dem katholischen Geistlichen – laut Peters von Anfang an ein Kritiker der Erscheinung – erhoffte er sich Informationen. Das Gespräch mit Herberger erwies sich dann aber als nicht sehr ergiebig. Natürlich spuckte der Pfarrer Gift und Galle gegen die GrauenfelserErscheinung, aber irgendwelche Beweise dagegen hatte er nicht.
»Auf jeden Fall steckt dieser Jaeger dahinter, dieser … Schämen sollte man sich, dass so was den Priesterrock tragen darf! Der und der Doktor – da sollten Sie mal nachhaken!« Herbergers Blutdruck schien bereits in astronomische Höhen zu steigen, wenn er nur an seinen evangelischen Amtsbruder dachte. »Und die Mädels kommen aus seinen Kirchengruppen, das sagt doch schon alles!«
Ruben fuhr enttäuscht zurück nach Grauenfels, schlenderte Richtung Pfarrhaus und inspizierte auf dem Weg dahin alle Biergärten auf Apfelbaumbewuchs. Im dritten traf er zu seiner freudigen Überraschung Pastor Jaeger und Doktor Hoffmann. Die beiden ließen den heißen Tag bei einem kühlen Bier ausklingen. Ruben stellte sich vor, gesellte sich zu ihnen und fand sehr schnell heraus, was ihre Beziehung besonders machte. Irgendwelche Zusammenhänge mit Grauenfels’ Marienerscheinung konnte er jedoch nicht ausmachen. Schließlich erzählte er ihnen rundheraus von Herbergers Vermutungen.
Pastor Jaeger lachte schallend. »Was sollte ich denn davon haben, hier die Madonna erscheinen zu lassen? Das treibt doch höchstens Herberger Schäfchen zu! Mal abgesehen davon, dass man darauf erst kommen muss. Eine Marienerscheinung ist weiß Gott nicht das Erste, was einem aufrechten Lutheraner zur Belebung des Fremdenverkehrs einfällt!«
»Aber Sie als Arzt könnten daran Interesse haben«, wandte sich Ruben an Doktor Hoffmann. »Ihre Praxis floriert doch seit der Marienerscheinung, oder etwa nicht?«
Der Mediziner zuckte die Achseln. »Meine Praxis hat immer floriert«, meinte er gelassen. »In Zeiten der Depression sind Arztpraxen von jeher gut besucht – und die hatten wir in Grauenfels, das kann ich Ihnen versichern. Achtzig Prozent Arbeitslosigkeit, keine Perspektive für die Jugendlichen, eineStadt, die langsam verfällt – so was macht die Leute krank. Seit die Madonna hier für Aufschwung sorgt, ist der Krankenstand der Grauenfelser rapide gesunken. Natürlich habe ich jetzt mehr Laufkundschaft mit erheblich höherem Unterhaltungswert – aber finanziell ist das gar nicht so interessant. Wer sich geheilt fühlt, verursacht schließlich keine Arztkosten. Für die Bereitschaft im Steinbruch an den Erscheinungstagen kriege ich natürlich eine Aufwandsentschädigung von der Gemeinde, aber reich macht mich das nicht. Mich dürfen Sie getrost von der Liste der Verdächtigen streichen.«
»Aber Sie wissen doch, was hier läuft!«, behauptete Ruben provokant.
Doktor Hoffmann lachte. »Ich habe Schweigepflicht«, redete er sich heraus, wurde dann aber ernst. »Hören Sie, warum lassen Sie das nicht einfach mit der Herumschnüffelei?«, fragte er. »Schreiben Sie einen netten Bericht über die Heilungen und Wunder. Alles ein bisschen augenzwinkernd, ihre Leser glauben doch auch nicht an Marienerscheinungen. Ich habe Ihre Serie über UFOs gelesen, die war herrlich witzig und trotzdem gut recherchiert. Warum wollen Sie hier unbedingt Geheimnisse aufdecken?«
»Weil’s mein Job ist«, meinte Ruben. »Und weil ich es absolut nicht leiden kann, wenn mich einer verarscht. Außerdem können Sie das hier sowieso nicht ewig so weitermachen. Irgendwann forscht einer
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