Das Wunder von Grauenfels (German Edition)
immer eine Tour.«
Annika strahlte ihn an. Die Zeit vor und nach den Wandertouren wussten die beiden sicher auch zu nutzen. Während sie vorerst im Haus verschwanden, erzählte Ruben den anderen unter dem Siegel der Verschwiegenheit von Annikas Wallfahrt.
»Und da sagst du, unsere Madonna wäre nicht echt«, meinte Berit vorwurfsvoll. »Wie haben hier eine Erfolgsquote, auf die jedes Heiratsinstitut neidisch wäre. Unsere Frau Clarsen zum Beispiel, du erinnerst dich, die Frau mit dem Jamaikaner … Da ist sie übrigens. Sieht sie nicht wunderbar aus?«
Tatsächlich betraten Frau Clarsen und ihr Terry gerade das Lokal. Frau Clarsen war so aufgedreht, dass die Luft um sie zu vibrieren schien. Terry federte das mit karibischer Gelassenheit ab. Er trug es auch mit Fassung, dass er offensichtlich gleich am ersten Tag seines Aufenthalts in Grauenfels einen Unfall gehabt hatte. Der junge Jamaikaner trug den Arm in der Schlinge.
»Wir gefound pretty Restaurant«, erklärte er, bevor ihn jemand danach fragen konnte. »Nicht weit, in die house von Sybil …«
»Sie wollen Ihr Haus zum Restaurant umbauen?«, fragte Gina verwundert. »Und Ihr Mann?«
Frau Clarsen warf hitzig das Haar zurück – und entblößte dabei einen dicken blauen Fleck an der Schläfe.
»Der ist Vergangenheit!«, sagte sie dann mit triumphierendem Unterton. »Die Sache mit Raimund ist vollständig vorbei!«
»Wie das denn auf einmal?«, erkundigte sich Berit. »Heute Mittag waren Sie doch noch ziemlich besorgt.«
Frau Clarsen nickte. »Ja, es lag mir schon auf der Seele, wie er das mit Terry aufnehmen würde. Ich hab mir lange überlegt, ob ich es ihm heute schon sage, aber er hätte ja spätestens heute Abend gemerkt, dass etwas faul ist. Also fand ich, ich könne es auch gleich hinter mich bringen, und bin zu meinen Eltern in die Werkstatt gegangen. Da arbeitet er ja. Ich dachte, vor meinem Vater wird er nicht gewalttätig werden. Aber er ist vollkommen durchgedreht. Wahrscheinlich hat er sich in Wut gesteigert, seit ich weggefahren bin. Dem stank es gewaltig, so ohne Putzfrau und Fußabtreter für den Frust. Auf jeden Fall habe ich ihm gesagt, dass ich ihn verlassen will, und zuerst war mein Vater natürlich auf seiner Seite. Ich sollte mir das doch alles noch mal überlegen, und was soll aus der Firma werden, und und und … Aber dann ist Raimund völlig übergeschnappt. Hat mich zu Boden geprügelt, und dann auch noch Terry. Zuletzt ging er auf meinen Vater los, der ihn natürlich stoppen wollte. Er ist durch die halbe Werkstatt geflogen und hat sich den Kopf angeschlagen. Na ja, und dann hat Terry …«
»Isch mal gesehen wie man … shark … Hai … k.o. schlägt, when attacks . Sehr mutig, swim auf Hai zu, hauen Faust über die mouth … Maul. Das isch gemacht mit Mann. Deshalb …« Terry wies auf sein geschientes Handgelenk.
»Sie haben diesen Zweimetermann angegriffen?«, fragte Berit verdutzt.
Frau Clarsen nickte stolz.
»Und, hat es genutzt?«, fragte Gina gespannt.
Frau Clarsen bejahte. »Er hat ihm die Nase gebrochen.«
Die anderen lachten schallend.
»Aber Terry hat sich auch das Handgelenk verstaucht, und mein Vater liegt im Krankenhaus«, dämpfte Frau Clarsen ein wenig die allgemeine Begeisterung. »Er ist mit dem Kopf gegeneine Werkbank geknallt, als Raimund ihn niederschlug. Jedenfalls hatten wir die Polizei da und es gibt eine Anzeige wegen Körperverletzung. Ich glaube nicht, dass Raimund sich noch groß gegen die Scheidung wehren wird. Tja, und mein Vater hat sich bei mir entschuldigt, weil er meine Klagen nie ernst genommen hat! Könnt ihr euch das vorstellen? Das gehört alles zu meinem Wunder!«
»Sie meinen, die Madonna habe den Beteiligten an dieser Schlägerei sozusagen die Hand geführt?«, fragte Ruben skeptisch.
Frau Clarsen nickte fromm. »Ich hab mich immer gefragt, ob das richtig ist, dass die Regenbogenmädchen mit den Marienspenden Karatekurse finanzieren. Aber jetzt weiß ich, wo der tiefere Sinn liegt.«
»Halleluja«, bemerkte Ruben. »Dann lasst uns da noch mal einen drauf trinken.«
Aus dem einen Glas wurden mehrere, und gegen Mitternacht, als sich die anderen Gäste des Biergartens langsam verzogen, bestand Terry darauf, seinen Freunden zum Abschluss einen echten karibischen Rum-Cocktail zu mischen. Unter viel Tamtam verzog er sich in die Bar und nahm die Spirituosenvorräte des Café Lohmeier unter die Lupe. Annika und Peter fanden unterdessen eine CD mit karibischen Rhythmen und räumten
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