Das Wunder von Grauenfels (German Edition)
eine Tanzfläche frei.
Frau Lohmeier hatte den Biergarten inzwischen geschlossen, ließ aber Doktor Hoffmann und Pastor Jaeger noch ein, die gerade auf dem Heimweg vorbeikamen und die Stimmung in ihrer Stammkneipe bemerkten. Natürlich waren auch sie nicht mehr ganz nüchtern, nahmen die Rum-Cocktails aber trotzdem dankbar an. Gegen eins führte Terry eine der Frauen nach der anderen durch die Merengue, während Frau Clarsen versuchte, dem unmusikalischen Ruben wenigstens die Grundschritte zu vermitteln. Pastor Jaeger und Doktor Hoffmann erwiesen sich da als erheblich begabter. Nach dem drittenRum-Cocktail tanzten sie auch ungehemmt miteinander. Außerdem zeigte Annika einen hochprofessionellen Bauchtanz.
»Mache ich seit Jahren«, erklärte sie fröhlich und ließ ihre Speckröllchen wirbeln.
»In einem islamischen Heiligtum wäre sie vermutlich auch fündig geworden«, raunte Berit Ruben zu.
»Und erst mal in Borunji.« Ruben lachte. »Ihre Eltern hätten mindestens zwanzig Rinder für sie gekriegt. Kannst du das eigentlich auch? Komm, wir versuchen’s noch mal mit der Samba.«
Aber dann fand die Party ein jähes Ende.
»Macht auf, ihr Schweine, ich weiß, dass sie da ist …«
Jemand polterte gegen das Tor, das den Innenhof des Café Lohmeier zur Straße hin verschloss. Eigentlich war es eine massive Holzkonstruktion, ähnlich einem Scheunentor, aber der Muskelmasse von Raimund Clarsen hatte das alte Schloss nichts entgegenzusetzen. Während die angetrunkenen Tänzer erschrocken stoppten und wie gebannt auf das berstende Tor blickten, schob sich Frau Clarsens Noch-Gatte in voller Größe auf sie zu, gefolgt von zwei ähnlich muskulösen Kumpanen.
»Jetzt hol ich mir, was mir gehört – von wegen, mit ’nem Neger auf und davon … Das haste dir so gedacht …«
Sybille machte verängstigt ein paar Schritte zurück, Terry stellte sich mit einer leeren Rumflasche schützend vor sie. Seine rechte Hand machte allerdings noch nicht ganz mit, und mit der Waffe in der Linken wirkte er eher tapsig als abschreckend.
»Ruf die Polizei an«, zischte Peter seiner Annika, die der Haustür am nächsten stand, leise zu. »Herr Clarsen, nun seien Sie doch vernünftig!«, rief er dann laut.
Wie abgesprochen gingen Peter, der Pastor und Doktor Hoffmann langsam auf den Betrunkenen zu, aber der wollte sich nicht beruhigen lassen. Als Peter und der Doktor gleichzeitigversuchten, seine Arme zu ergreifen, schüttelte er die beiden so leicht ab wie lästige Insekten. Seine beiden Freunde nahmen sie grinsend in den Schwitzkasten. Der Pastor versuchte, ihnen zu Hilfe zu kommen, wurde aber mit einem rechten Schwinger abgewehrt und flog durch den halben Biergarten. Den nächsten Schlag empfing Ruben und landete im Schatten des Walnussbaums, zu Füßen von Merl, der eben hektisch in den Taschen seiner Schlabberbekleidung herumsuchte.
»Ihr Feuerzeug, schnell!«
Ruben reagierte nicht, er brauchte etwas Zeit, um zu sich zu kommen. Merlot dauerte das zu lange. Der Magier reichte Ruben die linke Hand, um ihm aufzuhelfen – wobei das Feuerzeug wie von selbst in seiner rechten auftauchte.
»’tschuldigung«, kommentierte Merl den Taschendiebstahl. »Aber ich hab’s etwas eilig …«
Frau Clarsen hatte inzwischen auch eine Flasche ergriffen und anscheinend mehr Hollywood-Filme gesehen als ihr Freund. Jedenfalls dachte sie daran, die Flasche am Baumstamm zu zerschlagen, und stand ihrem Gegner nun mit einer weitaus wirksameren Waffe gegenüber. Der hatte eben noch kurz mit Berit und Gina zu kämpfen. Auch Gina versuchte es mit einer Hollywood-Lösung, aber Clarsen reagierte gar nicht, als sie einen der Gartenstühle auf seinem Rücken zerschlug. Die ungeschickte Berit knickte schon beim Versuch eines Angriffs auf ihren hochhackigen Schuhen um. Clarsen versetzte ihr einen beiläufigen Fußtritt.
Sybille wedelte mit ihrer Flasche. »Ich – ich stoß dir die ins Gesicht!«, drohte sie mit unsicherer Stimme.
Der Betrunkene lachte schallend und warf zunächst Terry mit einer Handbewegung beiseite.
»Das will ich sehen! Aber so gefällst du mir. So mag ich das Kätzchen, warte, heute Nacht werd ich dich zähmen, dass dir das Kratzen vergeht.«
»Verschwinde!«, schrie Sybille verängstigt und spähte nach Terry, der immer noch am Boden lag. Der Betrunkene griff brutal nach ihrem Handgelenk und zwang sie, die Flasche fallen zu lassen.
»Kommst du jetzt freiwillig mit, oder muss ich dich erst überzeugen?«
»Lass mich …« Sybille
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