Das Wunder von Grauenfels (German Edition)
stöhnte auf, als er ihr den Arm verdrehte.
Ruben wollte ihr zu Hilfe kommen, aber dann sah er, dass sich Merl geschmeidig wie ein Tänzer aus dem Schatten löste.
»Sie hören, was die Dame gesagt hat!« Merl trat dem Angreifer gelassen entgegen. »Verschwinden Sie hier augenblicklich!«
Clarsen lachte. »Noch ein kleiner Mann mit mehr Mut als Muskeln. Was ist denn, wenn ich nicht gehe, hm? Was ist, wenn ich nicht gehe?«
Sybille wimmerte, während er ihr brutal den Arm auf den Rücken drehte.
»Dann gehen Sie zur Hölle!«, donnerte Merl, hob beide Arme und schleuderte dem Betrunkenen zwei Blitze entgegen, die den Biergarten in gespenstisches Licht tauchten. Gleich darauf folgten zwei weitere. Ruben sah, dass Clarsen Sybille losließ, und zog die Frau schnell von ihm weg. Auch Peter und Doktor Hoffmann kamen frei, ihre erschrockenen Wächter flohen Richtung Tür. Aber Merl war noch längst nicht fertig. Lohmeiers Biergarten war nachts mit bunten Lichterketten schummerig erleuchtet, und der Magier trat nun genau kalkuliert in den Kegel einer roten Lampe. Das gedämpfte Licht ließ das Tier, das plötzlich auf seiner Schulter auftauchte, einen gigantischen, schemenhaften Schatten werfen. Ein fauchender Drache, der jetzt auch noch eine Feuerfontäne auszustoßen schien. Merl hob dabei wieder die Arme, bewegte die Hände, die im Schattenspiel zu Klauen wurden, schleuderteweitere Blitze und gab ein bedrohliches Knurren von sich. Mensch und Tier verschmolzen zu einem dämonischen, fauchenden und knurrenden Wesen.
Raimund Clarsen, längst zu alkoholisiert, um logisch zu denken, ergriff die Flucht. – Und rannte dabei direkt Wachtmeister Wegeborn und einem weiteren Polizisten in die Arme.
»Moment mal!«, rief der Dorfsheriff bestimmt. »Nicht so stürmisch! Erst schauen wir uns mal Ihre Personalien an. Hab ich Sie heute nicht schon mal verhaftet? Was ist hier überhaupt los?«
Verwundert schauten die Ordnungshüter auf die ein wenig nach Pulverdampf müffelnde Szenerie. Ein Gewirr aus umgeworfenen Tischen und zerschlagenen Flaschen und Gläsern, Ruben mit der schluchzenden Sybille im Arm, Terry und Berit, die eben wieder auf die Beine kamen, Gina in den Trümmern des Gartenstuhls, Peter und der Doktor, die sich die verdrehten Arme rieben – und mittendrin der völlig gelassene junge Mann im Schlabberlook, dessen bloßer Anblick offensichtlich genügt hatte, die Aggressoren in die Flucht zu schlagen. Wachtmeister Wegeborn rieb sich die Augen. Täuschte er sich, oder hatte da eben noch ein Reptil auf dessen Schulter gesessen? Jetzt war es jedenfalls verschwunden.
Raimund Clarsen zitterte unkontrolliert, als die Polizisten ihn etwas näher an den Mann heranführten, um im Licht seine Ausweispapiere zu kontrollieren.
»Der – der Teufel –«, stammelte er wimmernd. »Ein D-D-Dämon wie im Fernsehen – und ein – ein D-D-D-Drache – nicht, tun Sie mir nichts!« Clarsen hob abwehrend die Hände und schien freiwillig zu Boden gehen zu wollen, als Merlot sich den Polizisten lächelnd zuwandte.
»Ich glaube, der Mann braucht einen Arzt. Nennt man das nicht Delirium? Im Allgemeinen soll man aber eher weiße Mäuse sehen.«
Wachtmeister Wegeborn schaute prüfend von einem zum anderen.
»Der Mann braucht vor allem eine Ausnüchterungszelle. Kann mir jetzt endlich mal einer erklären, was hier passiert ist?«
Pastor Jaeger übernahm die Schilderung der Vorgänge, während Doktor Hoffmann sich um die Verletzten kümmerte. Zum Glück war niemandem ernstlich etwas passiert. Nur Terrys Hand sollte besser noch einmal geröntgt werden.
»Und was war dann mit dem Dämon und dem Drachen?«, fragte der Wachtmeister schließlich.
»Wie es aussieht, haben die Aufregung und der Alkohol Herrn Clarsen doch noch rechtzeitig in seine private Hölle befördert«, lächelte Jaeger. »Mir sind hier jedenfalls keine Dämonen aufgefallen, und Sie wissen, dass ich berufsmäßig für so etwas zuständig wäre.«
Die Polizisten lachten.
»Na, dann nehmen wir den Kandidaten mal mit. Und Sie kommen morgen bitte alle auf die Wache und machen Ihre Aussage. Den Drachen können Sie allerdings zu Hause lassen.« Wegeborn zwinkerte Merlot zu. »Müssen wir jemanden ins Krankenhaus bringen? Fahren kann ja hier wohl keiner mehr.«
Doktor Hoffmann verneinte. Er konnte Terry in seiner Praxis röntgen, und die war zu Fuß zu erreichen. Vorerst fielen aber erst mal alle auf die noch intakten Gartenstühle.
Annika und Frau Lohmeier hatten das
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