Das Wunder von Grauenfels (German Edition)
auserwählt!«
Sophie errötete. »Ach, das ist doch gar nichts … Du hast bestimmt ein viel spannenderes Leben, mit der Band und so …«
»Na ja …« Über Marvins Gesicht fiel ein Schatten. »Es ist natürlich ganz … great! All die, äh, Mädchen …«
»Du hast sicher eine Freundin in jeder Stadt«, meinte Sophie. Es sollte kokett klingen, hörte sich aber eher mutlos an.
Marvin schüttelte den Kopf. »Nein. Die Platz an meine Seite ist noch frei«, sagte er förmlich.
»Aber die Zeitungen …« Sophie wusste vor Schüchternheit nicht, wo sie hinsehen sollte.
»Die Zeitungen schreiben viel. Werden auch über unsschreiben, pass auf!« Marvin lachte, hob Sophies Kinn mit der Geste eines routinierten Verführers an und blickte ihr in die Augen. »Willst du, dass sie über uns schreiben?«
Spontan nahm er Sophie an die Hand und posierte mit ihr für die Kamera des begeisterten Barbetreibers. »Meine süße Freundin Sophie.«
Sophie schien einer Ohnmacht nahe, als er sie auf die Wange küsste.
Nur Gina fiel der etwas nervöse Blick auf, den Marvin gleich darauf mit seinem Vater wechselte. Ob der dem Jungen verboten hatte, so hemmungslos zu flirten? Tatsächlich schien eher das Gegenteil der Fall zu sein. Mike Murphy nickte seinem Sohn zwar sehr dezent, aber klar anerkennend zu.
Sophie bemerkte davon natürlich nichts. Mit anbetendem Gesichtsausdruck lauschte sie den Erzählungen von den großen Kompositionen, die Marvin plante, und seinen ersten Erfolgen: »Eine Lied von mir, wir schon singen – heißt For the One I love …«
»Echt einfallsreich«, meinte Claudia später ironisch. Sophie war jedoch hin und weg.
»Und du hast wirklich nicht an jemand Bestimmten gedacht, als du es geschrieben hast?«, fragte sie. Der Song war ihr natürlich bekannt. Sophies CD-Regal enthielt alle Alben der Murphy Family.
Über Marvins Gesicht zog ein Ausdruck von Trauer.
»Doch«, gestand er dann. »Aber von jemand, der ich nicht kann haben … Verstehst du?«
Sophie nickte eifrig und griff nun ihrerseits schüchtern tröstend nach seiner Hand. »Nur zu gut. Genau das Gefühl hatte ich immer bei dem Lied – es drückt ganz genau aus, wie sehr man sich nach jemandem sehnen kann …«
Marvins Finger schlössen sich um Sophies. »Ich wusste, dass du das verstehen würdest. Du bist so ein … sensible girl . Und … tell me … the virgin … also, äh, die Madonna … diespricht wirklich mit euch? Die antwortet richtig, ehrlich, auf die Fragen, die ihr stellt?«
Sophie biss sich auf die Lippen. »Sie ist nicht gerade als Lügnerin bekannt«, meinte sie dann vorsichtig.
Marvin holte tief Luft. »Ich bin sehr, sehr gespannt auf sie … Auf was sie wird sagen … du bist sicher, dass sie wird kommen?«
»Ganz sicher«, erklärte Sophie.
*
Die Nachricht von der Ankunft der Murphy Family hatte sich verbreitet wie ein Lauffeuer. Insofern formierten sich an diesem Sonntag zwei Prozessionen in Grauenfels: Die eine bestand aus den üblichen Pilgern, die andere aus Jugendlichen aus Grauenfels und Tatenbeck, die sich schnellstens versammelt hatten, um die Murphys zu sehen.
»Marvin, Marvin!«, intonierten sie, als die Gruppe aus dem Pub trat.
Und wieder beobachtete Gina einen Blickwechsel zwischen Marvin und seinem Pa. Mike Murphy wirkte ungeduldig. Marvin wandte sich daraufhin erneut Sophie zu.
»Du mich führen, jetzt …« Der Junge griff nach ihrer Hand, und Sophie zog ihn, dunkelrot vor Verlegenheit, aber auch vor Glück, den Kopf gesenkt und das Gesicht hinter der Haarflut verborgen, durch die Reihen ihrer Mitschüler. Die Presse war natürlich auch da, und die Murphys posierten mit Sophie und Claudia. Dann taten sie ihren Fans den Gefallen und gingen zu Fuß vom Pub bis zum Prozessionsweg. Hier bat der Vater der jungen Sänger allerdings um Nachsicht. Die Familie wollte sich jetzt ihrer Andacht widmen. Natürlich könnten sich die Fans der Prozession anschließen. Sie möchten die Murphys aber bitte nicht mehr ansprechen.
Claudia und Sophie griffen sich Kerzen, um die Prozessionwie gehabt anzuführen, Claudias Mutter versuchte, die Pilger ein bisschen auf Abstand zu ihnen zu halten, um die Konzentration der Seherinnen nicht zu stören. Die Murphys blieben trotzdem eng hinter den beiden. Wie üblich begannen die Pilger gleich nach dem Aufbruch zu singen – aber diesmal mischte sich der reine Knabensopran von Brian und Teddy Murphy in das verballhornte »Ave Maria«. Die anderen Murphys fielen ein. Für Gina und
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