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Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Titel: Das Wunder von Grauenfels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktoria Benjamin
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Berit klang ihr improvisierter Chor zwar kaum melodischer als das sonstige Gesinge, aber die Fans im hinteren Prozessionsbereich kreischten vor Begeisterung.
    »Unsere Sophie schwebt ja wirklich auf Wolken«, raunte Berit Gina zu. »Und ganz ohne Merlots Zutun!«
    Die beiden hatten sich der Gruppe weit hinten angeschlossen. Sie mussten die Erscheinungen nicht mehr steuern, die Mädchen wussten, was sie zu tun hatten.
    Gina zuckte die Achseln. »Die Liebe lässt die Menschen erfahrungsgemäß abheben, meist aber nur kurzfristig. Und bei dieser Sache gefällt mir irgendwas nicht. Das geht zu glatt. Für einen Sechzehnjährigen ist dieser Marvin zu routiniert, wahrscheinlich baggert er jede so hemmungslos an. Wenn er Sophie jetzt Hoffnungen macht und sie dann vergisst, wird sie sich die Augen ausheulen.« Gina spähte nach den Murphys aus, die immer noch sangen. Inzwischen intonierten sie »Amazing Grace«. Ein paar Toningenieure ihres Managements schnitten alles mit. Eine Pilgergruppe im Rentenalter setzte allerdings mit »Oh, Maria hilf« dagegen. Die Kombination klang zum Davonlaufen.
    »Hast du den Mädchen denn jetzt wenigstens nette Texte geschrieben? Die Murphys hatten doch irgendwelche Sonderwünsche, nicht? Über was wollten die noch mit MM sprechen?«
    *
    »Also, im Prinzip hat sie nichts dagegen …«, verkündete Claudia von einem etwas erhöhten Platz an der Quelle aus. Der Frauengebetskreis hatte das Podium für Andachten angelegt, und die Seherinnen nutzten es, um das dankbare Publikum über die Verlautbarungen der Jungfrau zu informieren. Die Erscheinung war wie üblich glatt verlaufen. Die Mädchen hatten ihre Texte programmgemäß abgespult, Sophie diesmal mit einem so entrückten Ausdruck, dass das Kameraklicken manchmal trotz Fotografierverbot die leisen Stimmen der Seherinnen übertönte. Die Bild -Zeitung brachte am nächsten Tag ein wunderschönes Foto des Mädchens in seiner scheinbar religiösen Versunkenheit – aber auch das Bild der strahlenden Sophie im Pub neben Marvin.
    »Sie meinte, jede Liebe sei grundsätzlich gutzuheißen. Der Himmel sieht die Seelen der Menschen, egal welchen Geschlechts. Was sich in Liebe verbindet, das ist gesegnet.«
    »Aber Liebe bedeutet auch Ehrlichkeit und die Bereitschaft, zueinander zu stehen«, sagte Sophie mit süßer Stimme ihren Text auf. »Es soll nichts Heimliches sein in eurer Liebe, wie nichts Böses darin ist.«
    »Man soll sich also outen?«, rief eine vierschrötige Frau aus der Menge. »Bring es auf den Punkt, Kind!«
    »So hat sie das nicht gesagt«, meinte Sophie. »Aber ich denk schon. Das wird sie wohl gemeint haben.«
    »Und ansonsten freut sie sich über die vielen Menschen, die gekommen sind, um uns zu begleiten, die vielen Fragen, die an sie herangetragen werden, und die Frömmigkeit und Liebe, die dieser große Pilgerkreis ihr entgegenbringt.« Claudia schloss die Verkündung ab. »Wir alle sind gesegnet, sie behält uns alle in ihrem Herzen, und sie kennt den Namen eines jeden, der aufrichtig betet und aufrichtig liebt.«
    Die Diskussion in der Pilgermenge brach schon los, während die Mädchen noch von der Plattform herunterstiegen und zu einer stillen Andacht an der Quelle niederknieten.
    »Sie verlangt, dass alle sich outen! Und eigentlich hat sie sich doch auch für die Homosexuellen-Ehe ausgesprochen, oder?«
    »Dafür ausgesprochen? Sie hat sie gefordert! Das gibt uns endlich eine Handhabe …«
    »Erstklassiger Text«, raunte Doktor Hoffmann Berit zu, als er mit seiner Tasche an ihr vorbeieilte. »Geb ich bei Gelegenheit einen drauf aus! Ich lach mich tot, wenn Pfarrer Herberger uns eines Tages trauen muss! Aber jetzt hab ich’s eilig, am Erscheinungsplatz gibt’s eine Heilung.«
    Die Mädchen blieben wie immer noch etwas an der Quelle, angeblich in Anbetung versunken. Die Murphys knieten dort ebenfalls nieder, aber so richtig ruhig war es nicht in der Gruppe. Marvin und seine Geschwister tuschelten miteinander in ihrer Muttersprache, rutschten nervös hin und her – von Andacht konnte keine Rede sein. Als Sophie und Claudia schließlich aufstanden, verabschiedeten sich die Stars schnell.
    »Ich dich danke vieltausendmal!«, sagte Marvin ernst zu Sophie. »Du mir hast gebracht Licht in meine Leben. Darf ich dir noch mal küssen?«
    Sophie streckte ihm ihr jetzt wieder blasses hübsches Gesicht entgegen und errötete erneut, als seine Lippen ihre Wange streiften.
    »Es war so schön mit dir«, meinte sie schließlich mutig.

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