Das Wunder von Treviso
Idee.
Am nächsten Tag klopfte er bereits gegen sechs Uhr dreißig an die Hintertür des Pfarrhauses. Um sechs Uhr zweiunddreißig hörte er ein leichtes Fluchen, als jemand gegen einen Kübel stolperte, vermutlich den Schirmständer umschmiss, um dann anschließend unter schmerzhaften Verwünschungen den Schlüssel umzudrehen und die Tür einen Spaltbreit zu öffnen.
«Einen wunderschönen guten Morgen, Don Antonio.»
«Hm.»
«Darf ich reinkommen?»
«Hm.»
«Ich habe eine Idee, wie wir den vatikanischen Kommissar loswerden können.»
«Hm?»
«Wenn ich reinkommen dürfte, könnte ich dir die Sache vielleicht genauer erklären.»
«Hm, hm.»
«Es ist arschkalt hier draußen. Mach endlich die Tür auf!»
Stattdessen schlug die Tür zu. Daraufhin brüllte Salvatore durch die geschlossene Tür hindurch: «Wir vertauschen einfach die Madonna!»
Nach einer langen, schweigsamen Minute öffnete sich die Tür ruckartig, und Don Antonio zischte: «Nicht so laut! Du weckst ja alle Leute auf! Komm rein.»
Salvatore trat ein. Fünf Minuten später hatte sich die Laune Don Antonios massiv gebessert, und er hatte zum ersten Mal seit Tagen das Gefühl, dass nun doch noch alles gut würde.
7
«Wie stellt ihr zwei euch das eigentlich vor?» Doktor Lorenzo schüttelte den Kopf. «Soll ich still und heimlich die Aufnahme einer falschen Madonna machen und durch de Renzi an den Papst schicken lassen, mit schönen Grüßen vom Dorfarzt aus Treviso? Tut unsleid, aber wir bescheißen die heilige römische Kirche nur zum Wohle ihrer Gläubigen?»
«So in etwa hatten wir uns das gedacht.» Salvatore Tarlo beschlich allerdings das Gefühl, dass Doktor Lorenzo seinem Plan vielleicht doch nicht so vorbehaltlos zustimmen würde, wie er gehofft hatte.
«Ehrlich gesagt, möchte ich ungern mein Seelenheil durch Ärger mit der Obrigkeit aufs Spiel setzen», entgegnete Doktor Lorenzo.
«Da kann ich dich beruhigen», sagte Don Antonio, «ich habe einen guten Draht zu Gott.»
«Ich spreche nicht von
der
Obrigkeit, ich meine die italienische Ärztekammer. Mein Röntgengerät ist doch gar nicht mehr zugelassen, oder was glaubst du, warum ich alle meine Patienten zu Doktor IchverdienemireinegoldeneNase in HolmichderTeufel della Libertà schicke, weil dessen Praxisausstattung nun mal gute fünfundvierzig Jahre jünger und besser ist als meine?» Doktor Lorenzo warf einen entnervten Blick auf sein Gegenüber.
«Aber es wäre ja gar kein Mensch, sondern nur eine Holzfigur, die du röntgen sollst», begann Salvatore von neuem. Das schien Doktor Lorenzo jedoch nicht im Mindesten zu überzeugen.
«Nur eine Holzfigur! Da tönt ganz Treviso seit Wochen von der weinenden Madonna, dann wird sie entführt, nun taucht auch noch dieser Scheinheilige aus dem Vatikan bei uns auf, und du sagst, es ist nur eine Holzfigur?»
«Dottore, ich kenn das gute Stück in- und auswendig. Glauben Sie mir, es ist nur eine Holzfigur.»
Doktor Lorenzo ließ sich in seinen Sessel fallen, der hinter seinem vollgeräumten Schreibtisch stand, und ließ hörbar seinen Atem durch den Mund entweichen, während sich Don Antonio und Salvatore Tarlo vor dem Tisch aufgebaut hatten und ihn erwartungsvoll anblickten. Der Doktor griff in eine der Schubladen, holte ein Formular hervor, kritzelte etwas darauf und überreichte es wortlos Salvatore.
«Was steht da?», wollte der wissen.
«Da steht: Überweisung in die psychiatrische Anstalt von Vicenza», antwortete der Doktor. «Ihr zwei seid schlicht bekloppt, wenn ihr glaubt, ich mache da mit.»
«Also Dottore, Sie können vieles von mir behaupten, aber ich bin doch kein Fall für …», wollte Salvatore gerade protestieren, doch Don Antonio winkte ab.
«Komm», sagte er zu Salvatore und griff ihn am Arm, um seine Absicht zu gehen anzudeuten, «der Doktor ist einfach nicht daran interessiert, uns zu helfen. Schade eigentlich, wo wir doch schon das viele Geld gesammelt hatten …» Natürlich war Don Antonio klar, dass dies ein mehr als nur billiger Versuch war, den Doktor zu bestechen, aber er wollte nichts unversucht lassen. Zu seiner Überraschung ging Lorenzo darauf ein.
«Wie viel Geld?», wollte er wissen.
Don Antonio lächelte.
«Wie passt es dir morgen, so gegen zwei Uhr nachmittags? Wäre das ein guter Termin für die Untersuchung?»
Der Doktor nickte. «Morgen um zwei passt hervorragend. Wem darf ich die Untersuchung in Rechnung stellen?»
8
Liebster Giorgio,
habe von Dir geträumt. Du hattest eine
Weitere Kostenlose Bücher