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Das Wunder von Treviso

Das Wunder von Treviso

Titel: Das Wunder von Treviso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Falk
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er würde Maria Braschi vor den Traualtarführen. Oder sollte es doch eher eine schlichte Zeremonie im Rathaus werden? Sein Blick fiel auf das Kanapee, auf dem Maria und er ihre erste gemeinsame Nacht verbracht hatten. War das wirklich erst ein paar Tage her? Als er das Glas abstellte, hatte er sich bereits dazu entschlossen, nach Vicenza zu fahren, und zwar gleich morgen. Er würde den besten Juwelier aufsuchen, den es dort gab, und dann würde er ihr einen Antrag machen.
    Derart bestärkt in seinem Vorhaben, kehrte er in den Salon zurück, griff nach seiner Dose Haarspray und verpasste Signora Corrisi noch eine Extraportion, bevor er ihr strahlend verkündete, dass sie noch nie so schön und so jung ausgesehen habe wie an diesem Morgen.

12
    Natürlich war Francesco de Renzi nicht wirklich auf den Trick mit dem Röntgenbild hereingefallen, aber er konnte den Trevisanern auch nichts nachweisen. Selbstverständlich steckte der Doktor mit dem Pfarrer und den anderen unter einer Decke, da war er sich ganz sicher. Nur wie zur Hölle hatten sie es angestellt, dass die weinende Madonna vollkommen echt wirkte? Wieso sah man auf dem Röntgenbild keinen Mechanismus, der künstliche Tränen erzeugt? Francesco de Renzi kam einfach nicht dahinter, nahm sich jedoch vor, auch inden kommenden Tagen ein Auge auf den Pfarrer und seine Kumpaneien zu haben, denn früher oder später, das wusste er, würde sich jemand verraten. Es galt nur, den richtigen Augenblick abzuwarten und dann zuzuschlagen.
    In der Tat hatten sich Salvatore, Don Antonio und der Doktor redliche Mühe gegeben und die Täuschung de Renzis perfekt inszeniert, wobei Salvatores Handwerkskünste, Don Antonios leidliche schauspielerische Fähigkeiten und Doktor Lorenzos unerschütterliches Wesen voll zur Geltung kamen. So hatte Salvatore Tarlo bereits vor drei Monaten von einem kunstsinnigen Millionär und Pilger aus Rom einen Auftrag für die Herstellung eines Duplikats der weinenden Madonna angenommen und seine Lieferung schlichtweg noch ein paar Tage zurückgehalten, damit man statt der echten Madonna also die entsprechende Kopie auf Herz und Nieren untersuchen konnte. Sie sah der weinenden Madonna von Treviso tatsächlich sehr ähnlich, sodass de Renzi keinen Verdacht schöpfte, als man bei der Untersuchung in Doktor Lorenzos Praxis heimlich aus dem Hinterzimmer die Kopie hervorzauberte und unter das Röntgengerät schob.
    Der Doktor verzog während der Untersuchung keine Miene, auch dann nicht, als er de Renzi Rede und Antwort zu stehen hatte, wie und welche Ergebnisse man sich erwarte, und es wäre Francesco de Renzi vielleicht davon zu überzeugen gewesen, dass er vor einem echten Wunder Gottes stand, wenn nicht Don Antonio so eineihm fremde und damit eigenartige Gelassenheit an den Tag gelegt hätte. Diese ließ das Ganze mehr als nur verdächtig erscheinen, denn es ergab nun wirklich keinen Sinn, dass man ihn, Francesco de Renzi, Beauftragten seiner Heiligkeit zur Erforschung aller sich zwischen Friaul und Lazio ereignenden Wunder, erst nicht an die Madonna heranließ, nur um dann anschließend bereitwillig einer Untersuchung zuzustimmen, die doch ganz offensichtlich das Wunder der weinenden Madonna von Treviso als Fälschung enttarnt hätte. Angesichts dieser Tatsache hätte der Pfarrer wenigstens ein bisschen Nervosität zeigen müssen, doch davon war beim fröhlich und leise vor sich hin summenden Don Antonio nichts zu sehen. Also beschloss Francesco de Renzi, seinen Aufenthalt um weitere Tage zu verlängern und die Gelegenheit abzuwarten, dem faulen Zauber ein Ende zu bereiten und die heilige Ordnung wiederherzustellen. Niemals hätte er damit gerechnet, dass sich diese von Gott gewollte Ordnung gegen ihn selbst wenden sollte.

13
    Castello della Libertà hatte einen neuen Bürgermeister. Nach Ansicht vieler Castellesen war der neue Mann im Amt die richtige Wahl. Wenn es nach der Meinung der Trevisaner ging, dann hatte man mit der Ernennung von Lorenzo Fabrisi den Teufel mit dem Beelzebubausgetrieben. Emmanuele Benito Longhi hatte sein Amt mit sofortiger Wirkung an seinen Nachfolger abgetreten und sich zu einer vierwöchigen Kur nach Österreich ins Salzkammergut zurückgezogen, während Lorenzo Fabrisi ins Rathaus einzog und als seine erste Amtshandlung erneut alle Straßen nach Treviso sperren ließ. Damit nicht genug, gab er außerdem die inoffizielle Weisung aus, dass den Pilgertouristen, die in Castello logierten, auf jede Übernachtung fünfzehn

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