Das Wunder von Treviso
die kommen euch nun auf die Schliche? Wenn sie schon das Röntgenbild akzeptiert haben, wird eine allerletzte Untersuchung auch keinen Schaden mehr anrichten. Morgen fährt de Renzi fort, und alles ist in Ordnung. Dann hat Treviso sein Wunder, und du bist fein raus.»
Don Antonio war jedoch nicht zu beruhigen.
«Sie fressen mich bei lebendigem Leib auf, alter Mann. Mir droht mindestens das Höllenfeuer … mindestens.» Er rülpste. «Wir haben die Madonna vertauscht.»
«Ihr habt was?», wollte Don Ignazio wissen.
«Wir haben die Madonna v-e-r-t-a-u-s-c-h-t», wiederholte Don Antonio und dehnte das letzte Wort so lang wie der norddeutsche Bauer, der sich in der letzten Woche, obgleich nicht katholisch, mit einer fetten Wurst bei ihm für die hübsche Predigt bedankt hatte, auch wenn er kein Italienisch sprach, und der auf Don Antonios leicht irritierte Nachfrage, wieso ein norddeutscher Protestant nach Treviso pilgere, zur Antwort gab, er sei eigentlich wegen der Wurst da. Offenbar hatte er von den Wurstspezialitäten der Region gehört und wollte sich nach neuen Rezepten für seinen Hofladen in der Umgebung von Stade umsehen. Die Madonna hatte er sich nur aus Neugierde mal angeschaut.
«Wie habt ihr sie denn vertauscht?»
«Die Wurst?», fragte Don Antonio.
«Welche Wurst?» Don Ignazio war irritiert.
«Wieso weißt du von der Wurst?», wollte nun Don Antonio wissen.
«Du machst es mir nicht gerade leicht, Junge. Die Madonna, wie habt ihr die Madonna vertauscht?»
«Ach die», und Don Antonio kicherte erneut, «ja, also die haben wir beim Besuch in der Praxis von Doktor Lorenzo ausgewechselt. De Renzi und ich sind mit der echten Statue von der Kirche in die Praxis gefahren. Im Hinterzimmer wartete schon Salvatore mit der Kopie, von der dann die Röntgenaufnahme gemacht wurde. Danach hat Salvatore versehentlich die echte Statue mit nach Hause genommen, und ich hab die Kopie in die Kirche zurückgebracht.»
Don Ignazio konnte beim besten Willen nicht entdecken, wo hier der Haken lag.
«Ja, aber dann ist doch alles bestens», sagte er. «Wem sollte denn auffallen, dass die Madonna nicht die echte ist, wenn nicht einmal du und der Holzwurm den Unterschied bemerken.»
«Es wird ihnen auffallen», sagte Don Antonio und lehnte seinen Kopf schwer gegen das steinerne Treppengeländer. «Salvatore hat sich verschätzt. Die neue Madonna ist zu breit. Sie ragt genau einen halben Zentimeter über den Nischenrand hinaus. Und de Renzi ist kein Depp: Ihm wird nicht entgehen, dass die Madonna zuvor einige Zentimeter kleiner war und genau reingepasst hat. Und ganz abgesehen davon kann die Kopie keine roten Tränen weinen.»
«Könnt ihr sie denn nicht zurücktauschen?», wollte Don Ignazio nun wissen.
«Zu spät. Die echte weinende Madonna von Trevisoist bereits auf dem Postweg nach Rom zu einem Millionär, der eigentlich das Duplikat geordert hatte, und ich trete den Gang ins sizilianische Nonnenkloster an oder in die Hölle, was im Grunde das Gleiche ist.»
«
Du
, mein Lieber, hast keine Ahnung von der Hölle», sagte Don Ignazio.
3
«Nein, nicht das da, das andere!» Wie kam sie nur auf den Gedanken, er würde ein grünes Hemd tragen wollen? Hatte er ihr nicht oft genug gesagt, dass er Grün nicht ausstehen konnte? Es stand ihm nicht. Es sah nach Gemüse aus. Niemand trägt freiwillig Gemüsefarbenes auf der Haut spazieren. «Das fleischfarbene! Gib mir das Hemd da. Schnell!», setzte Mario hinzu.
Seine Frau ging ihm gerade entsetzlich auf die Nerven und stand damit nicht allein da. Ihm ging derzeit die ganze Welt auf die Nerven. Ausgerechnet heute, an einem Freitagabend, während im Fernsehen AC Mailand gegen Inter Mailand lief, sollte er eine Pilgerdelegation aus Madrid empfangen, unter der sich angeblich auch ein Cousin des spanischen Königs befand, und niemand hatte ihn rechtzeitig informiert. Man denke nur: Der spanische König Juan Carlos erfährt von seinem Cousin, dass bei seiner Begrüßung im schönen Treviso nicht einmal der Bürgermeister anwesend war. Na, das gäbe vielleichtdiplomatische Verwicklungen! Und wer war daran schuld? Giorgio, ganz allein sein Neffe Giorgio, denn der hatte die unangenehme Eigenschaft, telefonische Mitteilungen auf kleinen gelben Zetteln zu notieren, die er irgendwo hinklebte und die Mario nie rechtzeitig fand. So hatte Mario nicht nur einen Arzttermin und die rechtzeitige Anmeldung seines Zweitwagens bei der zuständigen Behörde versäumt, nein, beinahe wäre ihm
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