Das Wunder von Treviso
Prozent Preisnachlass gegeben sowie freier Eintritt ins städtische Museum gewährt werden musste. Dieses bestand aus drei neu eingerichteten Räumen im untersten Stock des Rathauses, in denen man vorwiegend auf die heldenhafte Geschichte der Einwohner von Castello im frühen 20. Jahrhundert einging, einschließlich einer ausführlichen Dokumentation der Stippvisite Mussolinis in Castello della Libertà und Umgebung. Damit lagen die Preise zur Übernachtung in Castello nun eindeutig unter denen, die Massimo für eine Unterbringung in seinen ausgebauten Fremdenzimmern über der Trattoria verlangte, was zur Folge hatte, dass die Nächtigungen in Treviso leicht zurückgingen, während sich einige der Pilgergruppen aus Deutschland und mehr noch aus dem italienischen Inland plötzlich mit der Lebensgeschichte des Duce konfrontiert sahen, wobei die Deutschen das Museum vorwiegend deshalb besuchten, weil es umsonst war.
Die Ausstellungsgestaltung war noch von Bürgermeister Longhi in Auftrag gegeben worden und enthieltneben den üblichen Objekten zur Geschichte des Ortes wie Wimpeln, Urkunden und Siegelringen auch eine umfangreiche Sammlung von Fotografien, auf denen Ereignisse der 1920er und 1930er Jahre dokumentiert waren. Dazu zählten die Gründung der örtlichen Grundschule vor fünfundachtzig Jahren, das legendäre Wagenrennen vom Sommer 1926, der sportliche Wettstreit zwischen den Gemeinden Castello und Treviso im Herrenfußball sowie eben auch die in der Rubrik «Prominente besuchen Castello» angeführten Visiten bekannter und weniger bekannter Persönlichkeiten. Zusammengetragen hatte die Bilder ein pensionierter Geschichtslehrer, der in mühevoller Kleinarbeit und mit hohem Aufwand auch die Beschriftungen der Fotos durchgeführt hatte. Und so konnte man dem Bildtext eines Fotos aus dem Jahr 1937 entnehmen, dass die vierte Person links in der zweiten Reihe von oben, direkt neben dem Wagen Mussolinis, ein gewisser Mauro de Renzi war. Vor ihm stand sein etwa sechsjähriger Sohn, in der Hand einen Strauß Margeriten für den Duce.
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Er werde in etwa sechs Stunden zurück sein und wolle am Abend mit ihr essen gehen, hatte er gesagt, und sie hatte erwidert, dass sich das bestimmt einrichten lasse, ganz gleich, wie sehr ihr Bruder auf ihrer Anwesenheitbestehen werde, denn man erwarte den Bischof am nächsten Tag. Gut, hatte Luigi geantwortet, dann bis zum Abend. Und er hatte sie dabei so seltsam angesehen, dass Maria plötzlich klarwurde, er würde in Vicenza kein Friseurzubehör kaufen. Es dauerte einige Sekunden, bis sich der Schock gelegt hatte, dann folgten weitere Augenblicke der fassungslosen Apathie, bis schließlich ein inneres Freudengeheul anhob, das zwar niemand hören konnte, das jedoch bis über die nächsten Monate und Jahre hinaus in Maria nachhallen sollte.
Es war falsch, was manche behaupteten, nämlich dass Liebe blind machte. Liebe, das wusste sie nun, machte nicht nur blind, sondern auch taub, denn Maria überhörte sämtliche Einwände ihres Bruders gegen eine erneute Eheschließung, und nur ihre Zuneigung zu Antonio hielt sie davon ab, ihm dafür gehörig den Arsch zu versohlen, was er zweifelsohne verdient hätte. Stattdessen bereitete sie ihm ein leichtes Abendbrot, stellte eine Flasche Wein dazu und wünschte ihm angenehme Träume.
An diesem Abend trug Maria ihre neuen Schuhe und wartete gespannt auf das Klingeln an der Haustür, das pünktlich um acht Uhr einen Abend einläutete, den keiner in Treviso so schnell wieder vergessen sollte – aus dem einen oder anderen Grund.
Fünfter Teil
1
Rosa Fiorentini hatte durchaus das Gefühl, dass dies immer noch ihr Haushalt war. Sie hatte dem Pfarrer dreiundzwanzig Jahre lang mit ganzer Kraft zur Seite gestanden, und da war es nur natürlich, dass sie eine gewisse Bindung zum Haus und im Speziellen zum pfarramtlichen Garten aufgebaut hatte. Und es war auch ganz selbstverständlich, dass Rosa noch einen Schlüssel besaß, um ab und zu nach dem Rechten zu sehen, wenn gerade keiner zu Hause war. Man konnte ja nie wissen, und in der Tat wussten weder Don Antonio noch Maria, dass Rosa manchmal des Abends ihre Runden durchs Pfarrhaus machte, hier und da in den Küchenschränken nachsah, ob alles an seinem Platz war, und ein wenig die Blumen im Garten wässerte.
An diesem Abend lag das Haus dunkel und verlassen da, und Rosa nutzte die Gelegenheit, um leise und unbeobachtet durch die Hintertür zu schlüpfen. Nie hätte sie vermutet, dass sich noch
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