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Das Wunder von Treviso

Das Wunder von Treviso

Titel: Das Wunder von Treviso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Falk
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dir?»
    «Ich kann das nicht.»
    «Was kannst du nicht?»
    Stille.
    «Der Fernseher   … Wir haben ihn zur Fußballweltmeisterschaft 1982 gekauft, und ich kann ihn nicht weggeben.» Luigi war ganz grau im Gesicht, dem ausgeschaltetenFernsehgerät nicht unähnlich, das er nun nicht aus seinem Leben lassen wollte.
    «Wieso solltest du deinen Fernseher weggeben?»
    «Er ist alt!»
    «Ich bin auch alt. Du bist alt. Und?»
    «Ich kann das einfach nicht», wiederholte Luigi. «Ich kann nicht mein ganzes Leben aufgeben, um mit dir neu anzufangen. Diese Sessel, diese Fliesen, das waren Chiara und ich, und ich kann das einfach nicht aufgeben, egal, wie alt oder hässlich du die Sachen findest.» Er sah sie an, und in seinem Blick lag die Verzweiflung eines Menschen, dessen Existenz bedroht war.
    «Liebling», sagte sie, «niemand verlangt von dir, dass du irgendetwas wegschmeißt. Ich dachte nur, wir richten uns etwas neu ein und machen es uns hier gemütlich. Ich wusste ja nicht, wie sehr dein Herz an den Sachen hängt. Selbstverständlich können die Dinge bleiben.»
    «Danke», sagte er tonlos, denn in Marias Gesicht stand deutlich das Wort Verständnis neben ihrer Enttäuschung geschrieben. Natürlich wusste sie, was er meinte, denn immerhin gab auch sie einige Dinge in ihrem Leben auf, um mit ihm neu anzufangen. Andererseits fiel es ihr deutlich leichter, sich auf ihn einzulassen, jetzt wo sie schon einmal über sämtliche Schatten gesprungen war. Ein Blick auf ihren zukünftigen Mann genügte aber, um ihr zu sagen, dass dies noch nicht alles war. Also fragte sie weiter: «Gibt es noch etwas, das du mir sagen möchtest?»
    Er atmete flach. «Ja, ich wollte dich gerne etwas fragen.»
    «Na dann frag mich», sagte Maria.
    «Liebste», sagte er, «willst du meine Frau kennenlernen?»

12
    Maria hielt einen Strauß rosafarbener Rosen im Arm, weil dies Chiaras Lieblingsblumen gewesen waren. Für eine Weile standen sie stumm und andächtig vor dem Grab, und Maria hoffte auf ein Zeichen, wann der Zeitpunkt gekommen wäre, das Schweigen zu beenden. Schließlich legte sie die Blumen auf das mit weißen Kieselsteinen gefüllte Grabfeld und trat einen Schritt zurück. Sie blickte zu Luigi.
    «Willst du etwas sagen?»
    Er räusperte sich. «Chiara, ich möchte dir jemanden vorstellen. Das hier ist Maria. Wir werden bald heiraten, und ich wollte, dass du sie kennenlernst.» Nun blickte er zu Maria und nickte ihr aufmunternd zu.
    «Hallo», sagte Maria. «Es freut mich, Sie hier zu sehen.» Luigi sah sie bestürzt an. «Nein, ich will sagen, es freut mich sehr, Sie zu treffen.» Luigis Mund verzog sich zu einem schmerzlichen und lautlosen Seufzer, und Maria unternahm einen dritten Anlauf. «Ich bin Maria, und ich liebe Ihren Mann und werde bald seine Frauwerden. Und Sie sollen wissen, dass wir Ihr Andenken immer bewahren werden und dass ich sehr glücklich bin, in Ihr gemeinsames Haus einziehen zu dürfen, trotz der braunen Fliesen im Bad. Es hat so einen schönen Blick auf die Hügel von Castello, und die Küchenschränke sind sehr praktisch, weil dort so viel hineinpasst, und die Abstellkammer für die Lebensmittel ist so erstaunlich kühl, und wie gesagt, ich liebe Ihren Mann sehr, und jetzt weiß ich nicht mehr, was ich sagen soll. Ich hoffe, Ihnen gefallen die Blumen.» Maria blickte zu Luigi hinüber, dessen Gesichtsausdruck von schmerzlich berührt zu wohlwollend gewechselt hatte. Und obwohl sie selbstverständlich keine Antwort erhielt, hatte Maria das Gefühl, ihr Möglichstes getan zu haben.
    «Möchtest du, dass wir nach Castello fahren und dort deinen Mann und deinen Sohn besuchen?», fragte Luigi. Maria dachte kurz nach, schüttelte dann aber energisch den Kopf.
    «Nein, aber ich will dir etwas zeigen. Komm.»
     
    Im Pfarrhaus war es totenstill. Offenbar war Don Antonio nicht zu Hause. Maria platzierte Luigi in einem der bequemen alten Ledersessel im Wohnzimmer, verschwand dann in ihrem Zimmer und kam bald darauf mit einer Schachtel unterm Arm zurück. Sie wollte etwas sagen, wollte ihm erzählen, wie sehr sie der Tod ihres Kindes immer noch schmerzte, wie wenig sie den Verlust überwunden hatte und wie unendlich traurig er sie an jedem Tag ihres Lebens machte. Aber dann stelltesie einfach die Schachtel auf den Tisch und sagte: «Hier, das wollte ich dir zeigen.» Sie setzte sich neben ihn, hob den Deckel auf und zog einen Papierhut hervor. «Hier, den hat mein kleiner Antonio zu seinem fünften Geburtstag getragen. Es

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