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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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lebendig angewendet und gefressen werden / von ihrem Christenthumb / und was ihrer Seelen Heyl anbelangt / weniger als nichts zu sagen wissen / ausserhalb die greuliche Gottslästerungen und Flüch / an welchen man zwar spüret / daß sie Christlicher Art seyen / aber solche / die ärger als Heyden / inmassen sie auch nicht einmal wissen oder verstehen / was sie fluchen und schweren / und diß seynd selbige / von denen das Sprüchwort entsprungen: Wer Bauren verderben will / müsse Bauren mit nehmen; dahingegen bey andern / so sich gleichwol auch in Krieg begeben müssen / noch ein wenig bessere Zucht und humanit ät sich befindet.
    Also hätten andere auß unserm vorgestellten Gesicht und Spectacul auch andere Lehren / beydes gute und böse / je nachdem ein jeder gesinnet / begreiffen und verabfassen / und sich solche zu Nutz machen konten / mich anbelangend / delectir te ich mich damit / als ich sahe / wie Mars der Cerere ihr Horn plünderte / und seiner Bursch einen kurtzen Schmauß darauß zukommen liesse; Es war auch Zeit bey ihnen / dann theils lang auß ihrem Säckel gezehret / oder sich sonst schlecht genug mit dem Schmal-Hansen beholffen hatten; So waren auch theils an etlichen Orten so unwerth worden wie Gänß-Mist / so daß die Hunde schier an sie saichen mögen; über das erforderte das feindliche Land von sich selbsten / daß es von etlichen unartigen Köpffen gereinigt würde / massen man nicht alles was man gern wolte / in die Jndien senden kan; Jch sahe mit hertzlichem Lust zu / wie diese den Bauren / und hernach einander selbst lauseten / daß sie im gantzen Lande dominirt en / und alles ihr war / was ihnen unter die Hände kam / und ehe ich wahr nam / wie elendig die mehriste dieser Leute endlich zu Grund giengen / gewonne ich ein solchen Lust / mich unter ihre Zunfft schreiben zu lassen / daß ich schier nicht warten konte / biß unsere Erscheinungen oder Vision ein End hatte. Dann man hörete das jämmerliche ächtzen und weheklagen der Sterbenden nicht vor dem Geschrey der noch lebenden immer fort würgenden / noch vor dem Brummen deß Geschützes / deß Schalls der Trommeln / Trompeten und Heerpaucken / über das bedeckte der Nebel von so vielem verschossenen Pulfer die Abscheulichkeit der Verwundten / und auff vielerley Art voneinander geschossener Menschen / sampt der Menge und Bäch deß vergossenen Bluts / und was Hungers halber / oder sonst auff andere tausendfaltige Arten starb und verdarb / das wurde ohne das von den Uberlebenden nichts geachtet.
    Da sahe ich / wie hingegen sich der grossen Herren Cassa leerten / die Cammer-Gefäll ausblieben / und die Schätze außflogen / wie die Kauffleut erarmten und banquerotirt en / die Handwercks-Leut das Miserere sangen / und am Hunger-Tuch nagten / und die Bauren auff dem letzten Loch pfieffen / da war kein Hauß das nicht heulete / kein Geschlecht das nicht Leyd trug / kein Gasse die nicht jammerte / keine Statt die nicht wehklagte / und kein Dorff / so das Elend nicht truckte / da sahe man nirgends nichts lustigs als unter den Soldaten / und sonst niemand einige Freud haben als die Kriegs-Leut / bey den übrigen allen / was nicht mit kriegte / war lauter Seufftzen / Trauren und Weynen / solches alles verdoppelte meine Begierd noch mehrers / ein Soldat zu werden.
    Unser Spectacul endigt sich / als wir sahen / wie die Dörffer hin und wider im Lande außgeplündert und verbrennet / die Vestungen / Schlösser und Stätte bloquirt , belägert / bestürmt / eingenommen / beraubt oder gebrandschatzt / und die Jnwohner gepreßt oder gar verjagt wurden / dann als es an dem war / daß man auch sehen solte auff wie mancherley Arten seltzamer / urplötzlicher und grausamer Tödt die Soldaten umbkommen / nemlich im Wasser / durchs Feuer / in der Erd und im Lufft / siehe / da verschwand alles / und befanden wir sich widerumb allein beyeinander in unserm Zimmer.

CAP. XXIII.
    Wie der Feldzug angieng und ablieff.
    NAchdem ich nun viel artlicher als in einem Gemähld gesehen / welcher massen der Soldaten Dapfferkeit alles weichen und unterthänig seyn müste / gieng ich nicht länger umb zu wehlen / was ich künfftig thun und handthieren wolte / vornemlich weil ich jung / starck / gerad und gesund / und nicht allein mit einer Eysenfesten Haut / wie der Hürnen Seyfrid umbgeben war / sondern auch andern / so mit dergleichen versehen / die ihrige öffnen / mich in den äussersten Gefährlichkeiten unsichtbar machen / und hingegen / wann es vonnöthen / etliche

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