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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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geschmacksam zu machen.
    Von dar schlieche ich wieder zu meiner Liebsten / welche ich in ihrem Cabinet in einem viel jämmerlichern Zustand fande als das erste mal; dann sie weynet / daß ein Thräne die ander rührte / und von denselbigen hatte sie ihr Fazinet durch stätigs abwischen dermassen angefüllt / daß man es außringen mögen; Jch hatte ein unglaubliches Mitleiden mit ihren zarten Leibfarben Wangen / daß sie umb meiner Abwesenheit willen mit solchen Schmertzens-Zähren überschwemt werden solten; dann in Warheit / wann sie mein Gegenwart gewust haben solte / so würde sie ihres Hertzens Anligen wol nicht herauß gelassen: noch so öffentlich an Tag gelegt haben.
    Zuletzt sagte sie mit einem schweren Seufftzen / O Amor! du grimmiger Tyrann? Jst dann kein ander Mittel noch Artzney zu erfinden / deiner unerträglichen Grausamkeit entübrigt zu seyn / es seye dann / daß ich die geliebte Person selbst in Armen habe? So werde ich etwas unterstehen müssen / das mich Gott niemahl geheissen!
    Jch gedachte / nun ists hohe Zeit / daß du dich dieser betrübten Seelen dermaleins geschwind erbarmst / dich ihr zu Trost offenbahrest / ihren Schmertzen wendest / sie vor gäntzlicher Verzweifelung errettest / und sie mit deiner ihr höchst-erfreulichen Gegenwart erquickest! Jch hätte auch gleich mein Naßtüchel von mir geworffen / damit sie mich sehen köndten / so fern ich nicht gedacht hätte / es wäre noch Zeit genug / wann sie das Messer oder einen Strick in die Hand nehme / ihr das Leben zu kürtzen; massen alsdann / wann sie an den Bind-Riemen käme / die unversehene Erlösung in ihrer äussersten Noth ihre alsdannige Freud mir desto mehr vervielfältigen würde.
    Jndessen hatte sich die Zeit deß Nacht-Jmbs eingestellt / der Tisch war gedeckt / mein Gesind nähert sich darzu / und mein Weib trücknet Augen und Wangen / schiene auch viel frölicher als ich ihr zugetraut / daß sie in bälde so werden würde; sie wolte aber gleichwol nicht essen / dann sie deß Kummers so voll / daß sie leyder Gott erbarms nicht mochte.
    Da ich nun an meines Weibs Veränderung mit Freuden abgenommen / und darauß geurtheilt hatte / daß sie sich vor dißmal meinetwegen nicht hencken: und also unvonnöthen seyn würde / umb ihr den Strick abzuschneiden / ihro vor meine Person immerhin auffzuwarten / und ihren selbst-Mord zu verhüten; Siehe / so setzte ich mir vor / meinem Gesind aufzupassen / und zu sehen / was es zwischen der Nacht-Mahlzeit und dem Schlaffengehen beginnen würde: dann ich muß bekennen / daß ich in solchen Sachen zimlich Argwöhnisch bin / und Lieber / wer wolte es gegen solchen Leuten nicht seyn / so den Pflug oder das Ruder unserer Nahrung führen? die einen durch Treu und Fleiß in bälde reich machen / oder im Gegentheil / wann sie Maußköpffe seyn / durch hinschluderige Fahrlässigkeit / Faulheit und Untreu geschwind fertig machen könten biß auffs schwärtzen!
    Derohalben wartet ich ihnen allen auß biß auff die Beschliesserin / so gemeiniglich alle vier und zwantzig Stund biß umb eylff Uhr in die Nacht zu schaffen hatte / biß sie alle ihre Schuldigkeiten verrichtet / und eins und anders auff den künfftigen Tag verordnet; dann sie war gar fleissig / die letzte im Bett / und die erste am Morgen frühe wieder darauß; und derohalben das wachende Aug meiner Haußhaltung / oder der Angelstern / darnach sich das übrige Gesind richten muste; Jhr wurde aber umb deßwegen so viel vertraut / weil sie meines Weibs Baas / in dem sie derselben ohngefährlich im zwey oder drey und dreyssigsten Grad verwandt. Und eben dahero war mir vonnöthen / auff die jenige / an deren gleichsam alles Heyl meiner Auffnehmung gelegen / am genauesten Achtung zu geben; dann ich gedachte / wann diese wachtbare Martha / und geschäfftige Unter-Regentin meines Hauses getreu ist / so muß alles übrig Haußgesind zu deiner prosperit ät cooper iren.
    Sie hielte sich wie ichs gern sahe / und dahero gönnete ich ihrs auch redlich / daß sie meinen Neckerwein so hertzlich gegrüsset: Nachdem sie aber schlaffen gehen wolte / und ich ihr nachschlieche (massen ich hiebevor geargwohnet / daß mein mittlerer Gaden-Diener den Narren an ihr gefressen; Zumahlen ich auch nicht glauben konte / daß so ein seltene Schönheit / wie sie mit einer begabt war / ohne Bulschafft / das ist / ohne Auffwarter und eygene Anfechtung leben konte) Siehe! da stund erstermeldter mein Gaden-Diener (den ich wegen seiner guten Gestalt und Phisiognomie , in

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