Das wunderbarliche Vogel-Nest
wormit ich mich unsichtbar machen kan; als welches ich vor meinen verlohrnen Schatz annehmen will.
Darauff setzten wir sich beyde zu dem Ameyshauffen / darvon der fahrend Schüler eine Hand voll nam / und mich fragte / ob ich ihn sehe? Jch antwortet ja: er aber ergriffe eine andere Hand voll / nachdem er die vorige weggelegt / und fragte mich wieder wie zuvor / ob ich ihn noch sehe / verfuhre auch so lang solcher Gestalten / biß er eine Hand voll ergrieff / durch deren Krafft und Würckung er mir in einem Huy verschwandt: Gleichwol bliebe er noch an seinem vorigen Ort sitzen / und fragte mich wie zuvor / ob ich ihn sehe? Welches mir überauß verwunder- und entsetzlich vorkam / sonderlich / daß ich ihn so nahe bey mir hörete / und doch nicht sahe? Da ich ihme nun gesagt / daß ich ihn nicht sehe / sagte er / so halte der HErr sein Naßtüchel auff / und empfahe das jenige / so er an statt seines verlohrnen Guts zu haben verlangt; Jch thäts / und empfieng also das Genist auß dem Ameyshauffen / worauff ich den Alten alsobald wieder sahe! Er befahl mir / das Naßtüchel fleissig zusammen zu knüpffen / damit das stück / welches unter der Ameysen zusammen getragenen Sachen wäre / und vielleicht nur in einem einzigen kleinen Steinlein oder Würtzlein bestünde / nicht verloren würde; Jch folgte mit höchster Sorg und Auffsicht / damit ja kein einzigs Stäublein darvon käme; nam aber indessen in acht / ob mir der fahrend Schüler auch nach den Augen sehe oder nicht / wann er mit mir redet / oder nach den Händen / als ich das Naßtüchel zubande; dann wann ich dergleichen von ihm vermerckt / so hätte ich gleich geschlossen / er als ein Zauberer möchte sich durch ein ander Mittel unsichtbar gemacht / und mich vor meinen Schatz / als auff welchen ich verziehen / mit diesem liederlichen Genist abzuspeisen / und wie einen andern Narren fortzuschicken im Sinn haben / umb ihne alsdann allein zu erheben und zu behalten / aber nachdem ich im geringsten nichts dergleichen an ihm vermercken konte / faste ich schon ein ander Hertz / und war viel vergnügter / als wann man mir / ich weiß nicht was / sonst grosses gegeben hätte.
Nachgehends probirten wir die Würckung meines Schnupfftüchleins offt / dann der fahrend Schüler ermaß ohnschwer was ich argwohnte / darumb gab er mir selbst Ursach mich der Gewißheit zu versichern / und in mir durch die öfftere augenscheinliche Erfahrung einen festen Glauben zu setzen: und was solchen gewiß machte / war diß / daß ich das Naßtüchlein selbst nicht sehen / dasselbe aber wol greiffen konte / wann ichs irgends hin von mir legte;
Als ich nun solcher Gestalt meiner Sachen gewiß worden / liesse mich der fahrend Schüler von sich / nicht wissend / ob er in derselben Glücks-Stund / wie er sie nannte / etwas von meinem Schatz / darüber ich jedem Finder völligen Gewalt / und genugsames Eygenthumbs-Recht geben / erhalten habe oder nicht.
CAP. IV.
Gar eine ernstliche Leffeley / zwar schier zwo.
NJemand kan glauben / oder ihm selbst einbilden / was ich vor seltzame und wunderliche Grillen und Anschläg unterwegs hatte / da ich heimwärts gieng / auff wie vielerlei Weisen / und an wie vielerlei Orten ich mir nemlich meine Unsichtbarkeit zu Nutz machen wolte! da war ich schon mit meinen Gedancken unsichtbarer Weis Persöhnlich in den Conferen tzen / und geheimen Unterredungen der einen und andern Compagnie der allervornehmsten Handels-Herren / und horchte zu / was sie der Handelschafft / und der ein und andern Wahren halber vor hatten / umb mir dasselbe zu Nutz zu machen / und / weil ich mich nicht der geringste unter den Kauffleuten unsers Lands zu seyn bedunckt / meine Segel nach ihrem Wind auszuspannen / damit ich wieder reicher würde / als ich zuvor gewesen; Eben solcher Ursachen halber kam ich nicht allein auch in den Statt-Rath unserer Regiments-Herren / sondern gesellete mich auch so gar zu den geheimen Staads- Consiliis und Rathschlägen großmächtiger Potentaten / umb daselbst zu meinem Vortheil zu vernehmen / was vom Frieden oder Krieg geschlossen / und wie sich diesem nach die Handelschafften: die Abschlag: und Steigerung der Wahren beyläuffig anlassen würden!
Jn solchen Gedancken schetzt ich mich so Glückselig: und sahe meine künfftige prosperi tät so vortrefflich / daß ich mir selbst schier nicht glauben kondte / daß ich unsichtbar sey / wordurch ich so Glückselig und reich zu werden vermeynte! Jch gedachte offt / wie? Wann dirs aber vielleicht dieser
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