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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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unterwegs / als ich schlaffen gehen wolte / vorgewartet / und mir mit seltzamer betrohung / sich selbst umbzubringen / wann ich ihm nicht folgte / solche Sachen zugemuthet / die weder mir noch ihme zu vollbringen / zustehen: Jch glaub auch / daß unser Herr Gott der Frau Baas in Sinn geben habe / mir hieher zu leiten / ich wüste sonst nicht / was vielleicht vor ein Unglück geschehen wäre: Mein vorwitzig Weib wolte daraufhin den gantzen Verlauff ordentlich wissen / den ihr auch die Beschliesserin gantz offenhertzig erzehlte: sie hingegen antwortet darauff / es ist nicht ohn / daß kein Mensch glauben kan / wie jämmerlich einen die Liebe peinigt / der es selbst noch nicht erfahren / aber gleichwol solte der lose Lecker besser an sich halten / und in einem Hauß / wohinein er auß Barmhertzigkeit aufgenommen worden / gegen einer Baasen solches so freventlich zu unterstehen / sich besser bedencken: Jch muß bekennen / liebs Bäßgen / daß ich auch biß auff den Tod verliebt bin / und solchen Liebes-Schmertzen bey dieser Abwesenheit meines Manns bey nahe nicht zu ertragen weiß. Mit Endung dieser Wort fienge sie darauff abermahl an zu weynen / daß es / wo nicht der Beschliesserin Hertz / doch einen harten Stein erweichen mögen / sich der Verliebten zu erbarmen. Jndessen sahe ich das Concept deß Schreibens an den Apothecker auff meines Weibs Tische ligen / das lautet von Wort zu Wort also:
    Vielgeehrter / in Gebühr von Hertzen geliebter Herr Vetter / etc.
    Derselbe weiß ohne mein ferners Erinnern / in was vor einer jämmerlichen melancholey mein allerliebster Haußwirth / seyt wir unser Gelt verloren / dahin lebt: welches mich / als seine zum allernächsten Verwandte / ja als seines Leibs allergetreueste Rippe dermassen schmirzet / daß ichs in die Länge nicht zu ertragen getraue: weßwegen ich dann an statt deß Schlaffs mich mit Nachsinnungen seyther gequälet / ob keine expediens zu finden / diesem seinem Ubel abzuhelfen: da mir dann eingefallen / es würde das beste Mittel seyn / wann mir der Herr Vetter neben einem guten Marzapan ein paar dutzet Macronen / etwas von Citrinat / und andern dergleichen Hertzstärckenden Dingen zurichtete / und selbige mit so beschaffenen kräftigen Sachen vermischte / die nicht allein die schädliche melanchol ische Feuchtigkeiten zertheilen / und das verderbte Geblüt reinigen / sondern eine natürliche Begierde erwecken: wie mich dann der Herr Vetter wol verstehen wird: Jch wolte ihme alsdann solches Confect , so er ohne das liebet / beibringen / und durch Freundlichkeit erstlich seine zerstreuete Gedancken von seinem verlohrnen Gelt auff mich: und also fürderlichst ihne wieder zu rechter Vernunfft bringen / daß er nach und nach / wie hiebevor / sich wiederumb auff seinen Handel legte / und deß Verlohrnen allgemach vergesse; doch wird deß Herrn Vettern Rath / dem ich diß Orts nicht auß Handen gehen: sondern seiner dexteri tät vertrauen werde / am besten seyn; Uns damit allerseyts / etc.
    Alldieweilen ich dieses gelesen / sagte die Beschliesserin zu meinem Weib / umb sie zu trösten: Ach Frau Baas / was hat sie vor Ursach zu weynen? kan sie dann ihres Eheliebsten diese heintige Nacht nicht entbehren? Was? sagte mein Weib darauff / diese eintzige Nacht? Glaub mir sicherlich / daß er mich allbereit länger als in vier Wochen kaum angerührt hat! Er ligt ein gantze Nacht / und kan nichts anders / als umb sein verloren Gelt seufftzen / worauß ich abnehmen muß / daß er solches lieber hat als mich; Er krämet sich ab / und schwächet seine Natur dermassen / daß er sich ins künfftig vor einen Mann zu bestehen / gantz untüchtig macht; Was meynestu wol / liebs Bäßgen / was vor eine Freud ich armes Weib bey einem solchen höltzernen Herget habe? die Beschliesserin antwortet / ich weiß der Frau Baasen / als eine die noch nichts von Mannen weiß / hierauff zwar nichts zu widersprechen / allein dunckt mich / der Herr Vetter sey ein solcher rechtschaffener / ansehenlicher und freundlicher Herr / daß / wann mir so einer beschehrt wäre / ich keinen andern in der gantzen Welt darvor eintauschen / geschweige wünschen wolte; Ja liebs Bäßgen / sagte darauff mein Weib / ich habe ehemahlen / wie ich noch in deinem Stand war / ebenmässig vermeynet wie du! aber da war mein Mann ein anderer Kerl als jetzt! damahl liebte er mich über alle Schätz der gantzen Welt / jetzt aber seufftzet er nur nach seinem verlohrnen Gelt / das doch damit nicht wieder zu bringen ist / und läst

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